Fülszöveg
Selbstbildnis vor der Staffelei mit Palette und Pinseln. 1888
»Vincent van Gogh steht nicht so sehr außerhalb seiner Stammesart. Er ist ein echter Holländer, aus dem erhabenen Geschlecht des Frans Hals. Er ist in erster Linie, wie alle seine berühmten Landsleute, Realist - Realist im wahrsten Sinne des Vi/ortes. Unabhängig von dem undefinierbaren Duft der Glaubhaftigkeit und des wirklich Gesehenen, den alle seine Bilder ausströmen, ist es die V\/ahl der Vorwürfe, die stete Bezogenheit der überschwenglichsten Töne, das gewissenhafte Studium kennzeichnender Merkmale, das ständige Suchen nach dem V\/esentlichen eines jeden Dinges, sind es tausend bedeutungsvolle Einzelheiten, die seine tiefe, beinahe kindliche Aufrichtigkeit einwandfrei bestätigen, seine große Liebe zur Natur und zum Wahren - zu dem, was für ihn das Wahre ist.
In der gebieterischen Bejahung des Wesentlichen der Dinge, in der oft kühnen Vereinfachung der Formen, in der frechen Unbekümmertheit, mit der er die Sonne...
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Fülszöveg
Selbstbildnis vor der Staffelei mit Palette und Pinseln. 1888
»Vincent van Gogh steht nicht so sehr außerhalb seiner Stammesart. Er ist ein echter Holländer, aus dem erhabenen Geschlecht des Frans Hals. Er ist in erster Linie, wie alle seine berühmten Landsleute, Realist - Realist im wahrsten Sinne des Vi/ortes. Unabhängig von dem undefinierbaren Duft der Glaubhaftigkeit und des wirklich Gesehenen, den alle seine Bilder ausströmen, ist es die V\/ahl der Vorwürfe, die stete Bezogenheit der überschwenglichsten Töne, das gewissenhafte Studium kennzeichnender Merkmale, das ständige Suchen nach dem V\/esentlichen eines jeden Dinges, sind es tausend bedeutungsvolle Einzelheiten, die seine tiefe, beinahe kindliche Aufrichtigkeit einwandfrei bestätigen, seine große Liebe zur Natur und zum Wahren - zu dem, was für ihn das Wahre ist.
In der gebieterischen Bejahung des Wesentlichen der Dinge, in der oft kühnen Vereinfachung der Formen, in der frechen Unbekümmertheit, mit der er die Sonne vor uns hinsetzt, in der stürmischen Bewegung seiner Zeichnung und seiner Farbe, ja, in den kleinsten Eigentümlichkeiten seiner Technik enthüllt sich eine große, männliche Natur, ein Wagemutiger, sehr oft roh und zuweilen von einfältiger Zartheit. Und überdies Isterein Feuerkopf, ein Feind bürgerlicher Nüchternheit und Kleinlichkeit, eine Art trunkener Riese, mehr dazu geschaffen. Berge zu versetzen, als mit Nippsachen zu hantieren. Sein Pinselstrich Im eigentlichen Sinn, sein unmittelbares Verfahren, die Farbe auf die Leinwand zu bringen, ist wie alles, was er selbst Ist, leiden-schaftllch-wild, wuchtig und sehr kraftvoll. Sein Pinsel arbeitet mit ungeheuer dickem Farbauftrag sehr reiner Töne, mit geschwungenen Strichen, die von geraden, starken Strichen gebrochen werden, mit einer — manchmal ungeschickten - Anhäufung schimmernder Kleckserei, und dies alles verleiht manchen seiner Bilder das solide Aussehen leuchtenden Gemäuers, das aus Kristallen und Sonne geschaffen ist . . .
Vincent van Gogh Ist zu einfach und zu subtil zugleich für den bürgerlichen Geist unserer Zeltgenossen. Völlig verstanden wird er stets nur von seinen Brüdern werden, von den Künstlern, die wahrhafte Künstler sind - und von den glücklichen unter den kleinen Leuten, unter den ganz kleinen Leuten, die durch Zufall den hellsamen Belehrungen der Laienschule entronnen sind.« Albert Aurier 1890 im »Mercure de France«
Auf der Vorderselte: Die Zugbrücke (Pont de Langlois). 1888. 50cmx65cm. Köln, Wallrof-Richartz-Museum
Vissza