Fülszöveg
Innerhalb der Geschichte der Malerei ist die venezianische der Inbegriffmalerischer Kultur und Qualität. Mit der Reihe ihrer großen Namen von Bellini über Giorgione bis Tizian und Tintoretto verbinden sich Vorstellungen von sinnlichem Reichtum, opulenter Farbe, von großer malerischer Repräsentation. Der Entstehung, Entwicklung und dem Höhepunkt der venezianischen Malerei gilt dieses Buch, dessen Text, in den Jahren 1924/25 und 1929 / 30 verfaßt, hier erstmals veröffentlicht wird; die erste ausführhche Darstellung im deutschen Sprachraum. Nicht die Katalogisierung all dessen, was in dieser Zeit in Venedig gemalt worden, ist das Anliegen, vielmehr die Frage nach dem Wesen und der Wirkungsmacht des venezianischen Bildes. Die großartigen Beschreibungen Hetzers der Gemälde der Meister kreisen letztlich um das zugrundeliegende Menschenbild. So heißt es z. B. über das neu aufbrechende Daseinsgefühl auf Giorgiones Bildern: » seine Menschen erleben sich selbst als ein Wunder, sind in...
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Innerhalb der Geschichte der Malerei ist die venezianische der Inbegriffmalerischer Kultur und Qualität. Mit der Reihe ihrer großen Namen von Bellini über Giorgione bis Tizian und Tintoretto verbinden sich Vorstellungen von sinnlichem Reichtum, opulenter Farbe, von großer malerischer Repräsentation. Der Entstehung, Entwicklung und dem Höhepunkt der venezianischen Malerei gilt dieses Buch, dessen Text, in den Jahren 1924/25 und 1929 / 30 verfaßt, hier erstmals veröffentlicht wird; die erste ausführhche Darstellung im deutschen Sprachraum. Nicht die Katalogisierung all dessen, was in dieser Zeit in Venedig gemalt worden, ist das Anliegen, vielmehr die Frage nach dem Wesen und der Wirkungsmacht des venezianischen Bildes. Die großartigen Beschreibungen Hetzers der Gemälde der Meister kreisen letztlich um das zugrundeliegende Menschenbild. So heißt es z. B. über das neu aufbrechende Daseinsgefühl auf Giorgiones Bildern: » seine Menschen erleben sich selbst als ein Wunder, sind in der Ahnung einer neuen, mächtigeren und süßeren Existenz befangen, fühlen in der bewegenden Kraft ihres zentralen Ichs Seele und Leib vereinigt«. Zugleich bleibt jedes einzelne Gemälde im Venezianischen verankert. Künstlerische Kraft und Phantasie verwandeln die natürlichen, historischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten in spezifische Ausprägungen von Raum, Licht und Farbe, in eine ornamentale Gestaltung, die der Repräsentation, der Verherrlichung Venedigs dient, auch seines materiellen Reichtums. Aber was bedeutet dem Venezianer das Materielle? Er vermag mit ihm den Zauber und die Kraft wertvoller Substanz zu verbinden. Und vielleicht liegt darin die suggestive Wirkungsmacht der venezianischen Malerei: »Für den Venezianer besteht die Spannung zwischen geistiger Welt, abstrakt spielender Phantasie und Ma-terienicht. Das Geistigestrebtnichtnach Befreiung aus dem Sinnlichen, es ist im Sinnlichen nicht gefesselt, sondern darin enthalten. Das Sinnliche selbst aber wird dadurch geheimnisvoll verklärt.«
Theodor Hetzers Gesamtwerk gilt der Erkundung der großen kunstgeschichtlichen Zusammenhänge: den verschiedenartigen Verhältnissen der Kunstgattungen zueinander, der in der Geschichte verschiedenwertigen Bedeutung der Farben, dem Phänomen des Bildes, den Inkunabeln, den Höhe- und Wendepunkten in der vom 14. bis zum 18. Jahrhundert kontinuierlich sich entwickelnden Geschichte der Gestaltung der Welt im Kunstwerk - diesen Problemen vor allem sind seine Darstellungen gewidmet. Und auf dem Horizont einer darin sichtbar werdenden Geschichte des Menschen und seines Bewußtseins werden die großen Werke der Kunst zum Gegenstand der Frage nach der schöpferischen Qualität, nach dem Quell, der Wirkung und der Aufgabe des gestaltenden Ingeniums. Bisher unveröffentlichte Stichworte »Vom großen Kunstwerk« kennzeichnen dies anhand von Donatellos David: »Donatellos Figur ein unerschöpfliches Wunder Sich nicht im Begriff erschöpfend, dunkeler, musischer, schöner, in Form und Bronze und plastischer Bewegung an sich herrlich Das Leben der plastischen Materie. Immer wieder ein Absolutes, Ungegenständliches der Gestaltung in Spannung zum Gegenständlichen, das Genie, das schöpferische Vermögen in Auseinandersetzung mit dem Gegenstand Aus dem Absoluten, dem Ungegenständlichen entsteht Vertiefung des Gegenständlichen.«
Hetzers Fähigkeit, die Entwicklungen und Wandlungen der Kunst einer Geistesgeschichte des Menschen fruchtbar zu machen, kann heute neu gewürdigt werden. Dem ist die Edition seiner »Gesammelten Schriften« gewidmet - ein Editionsplan findet sich auf den Schlußseiten eines jeden Bandes.
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