Fülszöveg
1920 schrieb Sigmund Freud (in «Jenseits des Lustprinzips»): «Die Biolo-
gie ist wahrlich ein Reich der unbegrenzten Möglichkeiten, wir haben
die überraschendsten Aufklärungen von ihr zu erwarten und können
nicht erraten, welche Antworten sie auf die von uns an sie gestellten Fra-
gen einige Jahrzehnte später geben würde. Vielleicht gerade solche,
durch die unser ganzer künstlicher Bau von Hypothesen
umgeblasen wird.»
Der Mann hat recht gehabt, sagt Dieter E. Zimmer heute - «einige Jahr-
zehnte später». Er sieht in der Psychoanalyse ?//eFreudsche Fehlleistung
des Jahrhunderts. In diesem Buch entfaltet er seine Argumente.
«Es war einmal eine Theorie, die nahezu jedes Rätsel der
menschlichen Seele lösen zu können meinte. Zu ihrer Zeit
war sie originell und kühn, und sie hat das Selbstverständ-
nis des westlichen Menschen im 20 Jahrhundert stärker als
irgendeine andere beeinflußt.
Aber nicht nur, daß sie sich als hier und da modifikations-
bedürftig oder irrig erwies....
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Fülszöveg
1920 schrieb Sigmund Freud (in «Jenseits des Lustprinzips»): «Die Biolo-
gie ist wahrlich ein Reich der unbegrenzten Möglichkeiten, wir haben
die überraschendsten Aufklärungen von ihr zu erwarten und können
nicht erraten, welche Antworten sie auf die von uns an sie gestellten Fra-
gen einige Jahrzehnte später geben würde. Vielleicht gerade solche,
durch die unser ganzer künstlicher Bau von Hypothesen
umgeblasen wird.»
Der Mann hat recht gehabt, sagt Dieter E. Zimmer heute - «einige Jahr-
zehnte später». Er sieht in der Psychoanalyse ?//eFreudsche Fehlleistung
des Jahrhunderts. In diesem Buch entfaltet er seine Argumente.
«Es war einmal eine Theorie, die nahezu jedes Rätsel der
menschlichen Seele lösen zu können meinte. Zu ihrer Zeit
war sie originell und kühn, und sie hat das Selbstverständ-
nis des westlichen Menschen im 20 Jahrhundert stärker als
irgendeine andere beeinflußt.
Aber nicht nur, daß sie sich als hier und da modifikations-
bedürftig oder irrig erwies. Die an (natur)wissenschaft-
lichen Methoden orientierten Psycho- und Neuro-Wissen-
schaften haben mit der Zeit die meisten psychoanalyti-
schen Grundannahmen in Frage gestellt, erschüttert und
überholt.
Als das Ganze, als das die Psychoanalyse einmal konzipiert
worden war und als das sie in das zeitgenössische Denken
Eingang fand, ist sie hinfällig geworden. Sie stellt kein reali-
stisches Modell der menschlichen Psyche bereit.
Eine vernünftige Aussicht, daß sich erhebliche Teile der
Freudschen Lehre vielleicht doch noch retten lassen könn-.
ten, besteht heute nicht mehr.
Daß eine vielversprechende Theorie fallengelassen werden
muß, hat nichts Ehrenrühriges. In der Wissenschafts-
geschichte geschieht das immer wieder.
Ausdrücklich zu versichern, daß ich Freud trotz allem für
einen bedeutenden Denker halte, käme mir fast indezent
vor. Das von ihm errichtete Gedankengebäude jedoch halte
ich von den Fundamenten aufwärts für marode, einen Irr-
tum, ein Wahnsystem.
Eigentlich sollte aus meinem Buch von selbst hervorgehen,
daß ich keineswegs alle Psychotherapie für Unfug und alle
Psychoanalytiker für Schwachköpfe oder Scharlatane
halte. Aber sicher ist sicher, und so möchte ich denn aus-
drücklich betonen, daß Psychotherapie.dringend nötig ist
und viele Therapeuten - selbstverständlich auch Psycho-
analytiker - ihrer schweren und von deutlichen Erfolgser-
lebnissen nur selten gekrönten Arbeit einfühlsam und ver-
antwortungsvoll nachgehen und dabei natürlich auch zu
Einsichten über die Psyche gelangen, die jedem Test stand-
halten würden.
Es ist indessen meine Überzeugung, daß die nötige psycho-
therapeutische Arbeit um so erfolgreicher getan werden
könnte, je realistischer das Menschenbild wäre, das man ihr
zugrunde legt. Und dieses erscheint mir um so realistischer,
je weniger es sich im Widerspruch zu den Erkenntnissen der
(naturwissenschaftlichen Menschenforschung befindet.»
Vissza