Fülszöveg
»Ein Zeitungsschreiber ist ein Mensch, der seinen Beruf verfehlt hat«, sagte Bismarck. Niemand hat dagegen weniger einzuwenden als Studnitz, der, zum Offizier bestimmt, Architektur studieren wollte, sich statt dessén als Banklehrling und Reedereikaufmann ver-suchte, im Auswártigen Amt diente, die Lufthansa wiederaufbauen half und als einer der glánzendsten Journalisten unserer Zeit und erfolgreicher Buchautor seine Bestátigung in einem Metier fand, für das er nicht geboren worden war.
Wenn der Journalismus - nach Friedrich Sieburg - die schwachen und die starken Natúrén mit gleicher Heítigkeit anzieht, so gehört Studnitz zu den stárksten, die jemals publizistisch tatig wurden. Durch Herkunft und Erziehung mit einer grandiosen Unbe-kümmertheit ausgestattet, wurde er zum souveránen Beobachter einer der gnaden-losesten Epochen der Menschheitsgeschichte.
Der Bogén seines Berichts spannt sich vom kaiserlichen Potsdam und dem Hamburg königlicher Kaufleute über das Deutschland Weimars...
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Fülszöveg
»Ein Zeitungsschreiber ist ein Mensch, der seinen Beruf verfehlt hat«, sagte Bismarck. Niemand hat dagegen weniger einzuwenden als Studnitz, der, zum Offizier bestimmt, Architektur studieren wollte, sich statt dessén als Banklehrling und Reedereikaufmann ver-suchte, im Auswártigen Amt diente, die Lufthansa wiederaufbauen half und als einer der glánzendsten Journalisten unserer Zeit und erfolgreicher Buchautor seine Bestátigung in einem Metier fand, für das er nicht geboren worden war.
Wenn der Journalismus - nach Friedrich Sieburg - die schwachen und die starken Natúrén mit gleicher Heítigkeit anzieht, so gehört Studnitz zu den stárksten, die jemals publizistisch tatig wurden. Durch Herkunft und Erziehung mit einer grandiosen Unbe-kümmertheit ausgestattet, wurde er zum souveránen Beobachter einer der gnaden-losesten Epochen der Menschheitsgeschichte.
Der Bogén seines Berichts spannt sich vom kaiserlichen Potsdam und dem Hamburg königlicher Kaufleute über das Deutschland Weimars und Hitlers zu den fremden Welten jenseits der grófién Meere: in das frühe Latein-amerika und in das spáte Afrika, in die Hütte Gandhis und das Büro Nelson Rockefellers, in die Traumreiche Thailands, Tahitis und der japanischen Teestuben.
Als Dollfufi ermordet und die englische Mittel-meerflotte wáhrend der Abessinienkrise mobi-lisiert wurde, als der Alcazar von Toledo erstürmt und Mussolinis Freiwillige bei Guadalajara geschlagen wurden, als Chamberlain aus München nach London zurückkehrte -immer war Studnitz am Ort des Geschehens.
Er traf Wilhelm II. in Doorn, Louis Mount-batten auf Malta, den Herzog von Windsor in Friedrichsruh, Georg II. der Hellenen in Athén. Er flog mit Farouk über dem Nildelta und mit Adenauer um die Erde. Er war Gast von Nehru und Jinnah, von Abdallah und Nasser, Ge-spráchspartner von Churchill und Douglas Home, von Frei, Ongania und Kreisky. Er besuchte Tschombé in Madrid und Jan Smith in Salisbury. Er wurde von Franco und von Salazar an ein und dem gleichen Tage empfangen. Er erlebte den Untergang Berlins, teilte eine Gefángniszelle mit Raubmördern und ein Intemierungslager mit Berufsbesiegten.
Studnitz merkte sich alles und schrieb auf, was heute niemand mehr wahrhaben will. Seine Feder wurde zur schárfsten publizistischen Waffe der Verteidigung in den Nürnberger Prozessen. Als erstem Deutschen nach dem Krieg öffnete ihm 1947 »The Times« ihre Spalten zum Protest gegen die Zerstückelung Deutschlands. Als Patriot und Kosmopolit, mit universaler Schau und brillantem Stilvermögen begabt, hált der Autor der »Seitensprünge« auf ironisierende Distanz zur eigenen Person.
Seit Jahrzehnten sind keine Memoiren von solcher Aussagekraft geschrieben worden. Wer dieses faszinierende Buch mit dem (für Studnitz typischen) Understatement-Titel »Seiten-sprünge« zu lesen beginnt, hat ein Abenteuer vor sich, das kein anderer Memoirenband bieten kann. »Mein Lebenslauf láfit sich nicht über den nach 1945 in Deutschland erwünschten Leisten schlagen«, schreibt Studnitz. Das kann man wohl sagen!
Seewald Verlag Stuttgart
Vissza