Rudolf

Fülszöveg

Es gibt viele Bücher über Kronprinz Rudolf. Doch hat seit dem Erscheinen der einzigen wissenschaftlichen Biographie von Oskar von Mitis im Jahre 1928 es niemand mehr unternommen, das in den letzten 50 Jahren angefallene Quellenmaterial zu sichten und auszuwerten. Brigitte Hamann hat sich dieser Mühe unterzogen und prásentiert uns nach jahrelanger Forschungsarbeit ein geradezü sensationelles Bild des Kronprinzen. Wir erieben den Habsburger nicht mehr im Mittelpunkt der MayerlingAffáre, sondern als liberalen Intellektuellen, der in Opposition zu seinem kaiserlichen Vater und dem Hofestablishment die Zeichen der Zeit erahnte und ihnen folgen wollte. Die Kindheit des Kronprinzen ist zunáchst vom militárischen Erziehungsstil des Vaters geprágt, in einem solchen AusmaE, dal? die Gesundheit des Knaben ernsthaft Schaden nimmt. Erst die menschlich einfühlsamen und liberal denkenden Lehrer, die Kaiserin Elisabeth gegen den Widerstand des Hofes durchsetzt, verándern das Leben des Prinzen und... Tovább

Fülszöveg

Es gibt viele Bücher über Kronprinz Rudolf. Doch hat seit dem Erscheinen der einzigen wissenschaftlichen Biographie von Oskar von Mitis im Jahre 1928 es niemand mehr unternommen, das in den letzten 50 Jahren angefallene Quellenmaterial zu sichten und auszuwerten. Brigitte Hamann hat sich dieser Mühe unterzogen und prásentiert uns nach jahrelanger Forschungsarbeit ein geradezü sensationelles Bild des Kronprinzen. Wir erieben den Habsburger nicht mehr im Mittelpunkt der MayerlingAffáre, sondern als liberalen Intellektuellen, der in Opposition zu seinem kaiserlichen Vater und dem Hofestablishment die Zeichen der Zeit erahnte und ihnen folgen wollte. Die Kindheit des Kronprinzen ist zunáchst vom militárischen Erziehungsstil des Vaters geprágt, in einem solchen AusmaE, dal? die Gesundheit des Knaben ernsthaft Schaden nimmt. Erst die menschlich einfühlsamen und liberal denkenden Lehrer, die Kaiserin Elisabeth gegen den Widerstand des Hofes durchsetzt, verándern das Leben des Prinzen und prágen sein künftiges Denken und Tun entscheidend. Josef Latour weckt in dem Jüngling die Begeisterung für das liberale Bürgertum; Carl Menger vermittelt ihm das Verstándnis für wirtschaftliche und soziale Zusammenhánge; Josef Zhisman und Anton Gindely erziehen ihn zu Toleranz gegenüber anderen Religionen und Nationalitáten; Ferdinánd Hochstetter begeistert ihn für die Naturwissenschaften, Adolf Exner für den modernen Verfassungsstaat.
Unter dem Einfluí? des berühmten Zoologen Alfréd Brehm entwickelt sich Rudolf zu einem noch heute anerkannten Ornithologen. Moriz Szeps, Chefredakteur des linksliberalen »Neuen Wiener Tagblattes«, wird sein engster Vertrauter; er gibt ihm die Möglichkeit, seine Ideen und Ansichten in anonymen Zeitungsartikeln zu veröffentlichen. Warum dann ein so tragisches Ende? Rudolfs Demonstration für Liberalismus, Bürgertum, Demokratie, für völkische und religiöse Minderheiten, sein Philosemitismus, seine antiklerikale, antifeudale und antinationalistische Einstellung, seine ablehnende Haltung gegenüber dem gleichaltrigen Wilhelm II. und seine Opposition gegen die Wiener Bündnispolitik schaffen ihm viele Feinde, deren gehássigen Angriffen er sich schlielSlich nicht mehr gewachsen fühlt. Nicht die Liebestodversion ist die Wahrheit. Rudolf starb durch eigene Hand, weil sein Lebenswille gebrochen war. Sein Traum, im Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn das Ideál Victor Hugos von den »Vereinigten Staaten von Europa« zu verwirklichen, war durch Nationalitátenhal? und Intoleranz zur Illusion geworden. Sein Tod war die letzte Konsequenz. Brigitte Hamann erhielt für dieses Buch den vom Amalthea Verlag gestifteten Heinrich-Drimmel-Preis. Vissza