Fülszöveg
Als der erste Band von Robert Mu-sils großem Roman «Der Mann ohne Eigenschaften» Anfang der dreißiger Jahre erstmalig in diesem Verlage ersdiien, wurde er immer wieder mit dem «Ulysses» von James Joyce und mit Marcel Prousts klassisdbem Ge-sellsdbaftsepos «Auf den Spuren der verlorenen Zeit» verglidien. Aber 1949 stand am Anfang einer repräsentativen Würdigung des Werkes in der Literaturbeilage der Londoner «Times» der aufsehenerregende Satz: «Musil, der bedeutendste deutsdi sdireibende Romancier dieser Jahrhunderthälfte, ist einer der unbekanntesten Schriftsteller dieses Zeitalters.» Wie erklärt sich die Diskrepanz zwischen Bedeutung und Publizität? Keineswegs nur dadurch, daß der im Jahre 1880 in Klagenfurt geborene Österreicher nach dem «Anschluß» seiner Heimat freiwillig ins Schweizer Exil ging. Keineswegs durch das Verbot seiner Bücher in Hitler-Deutschland. Der Grund liegt tiefer. Er liegt in Musils Werk selbst. Der Roman, an dem der Dichter bis zu seinem Tod im Jahre 1942...
Tovább
Fülszöveg
Als der erste Band von Robert Mu-sils großem Roman «Der Mann ohne Eigenschaften» Anfang der dreißiger Jahre erstmalig in diesem Verlage ersdiien, wurde er immer wieder mit dem «Ulysses» von James Joyce und mit Marcel Prousts klassisdbem Ge-sellsdbaftsepos «Auf den Spuren der verlorenen Zeit» verglidien. Aber 1949 stand am Anfang einer repräsentativen Würdigung des Werkes in der Literaturbeilage der Londoner «Times» der aufsehenerregende Satz: «Musil, der bedeutendste deutsdi sdireibende Romancier dieser Jahrhunderthälfte, ist einer der unbekanntesten Schriftsteller dieses Zeitalters.» Wie erklärt sich die Diskrepanz zwischen Bedeutung und Publizität? Keineswegs nur dadurch, daß der im Jahre 1880 in Klagenfurt geborene Österreicher nach dem «Anschluß» seiner Heimat freiwillig ins Schweizer Exil ging. Keineswegs durch das Verbot seiner Bücher in Hitler-Deutschland. Der Grund liegt tiefer. Er liegt in Musils Werk selbst. Der Roman, an dem der Dichter bis zu seinem Tod im Jahre 1942 zwanzig Jahre lang gearbeitet hat, ist von enormem Umfang. Inzwischen nimmt er auch im Bewußtsein der deutschen Leser den ihm gebührenden Platz ein, so daß der Verlag nun die 6. Auflage vorlegen kann. Mit einer Ironie, für die es in der deutschen Literatur kein anderes Beispiel gibt,
mit der Fähigkeit des hochentwickelten Geistes, jedes Detail mit dem Prinzip zu verknüpfen, das dem Ganzen zugrunde liegt, erzählt Mu-sil ein einziges Jahr der sterbenden Donaumonarchie und ihrer kranken Gesellschaft: die Wende von 1913 auf 1914. Der Roman bietet jenes Österreich aber nur als den Spiegel, in dem man alle Krankheiten dieses Jahrhunderts erblickt, bloßgelegt bis in die geheimsten Wurzeln. Musil des-illusioniert Schicht für Schicht. Das Ergebnis ist die vollendete Durchdringung der Welt. Danadi entwik-kelt sich die Kritik an der Wirklichkeit unseres modernen Lebens organisch zum Gedankenversudi eines besseren möglidien Lebens, der alle Risiken neuer Selbsttäuschungen methodisch einkalkuliert. Die Ironie, der Sarkasmus, der beißende Witz unterwerfen sidi dem gespannten Ernst eines gewissenhaft kontrollierten Tagtraums. Der Anstoß zu diesem großen Budi war die Suche nach dem Abenteuer, das Mensdi heißt. Der Weg dorthin führt über eine Analyse von erregender Rücksichtslosigkeit und Genauigkeit, aber er endet auf einer Höhe der Erkenntnis, die den gewagtesten Daseinsfragen unserer Zeit die Antwort nicht versagt.
THOMAS MANN
«Ein diditerisdies Unternehmen, dessen Außerordentlidikeit, dessen einsdineidende Bedeutung für die Entwidmung, Erhöhung, Vergeistigung des deutsdien Romans außer Zweifel steht. Dies funkelnde Budi, das zwisdien Essay und episdiem Lustspiel sidi in gewagter und reizender Sdiwebe hält, ist gottlob kein Roman mehr - ist es darum nidit mehr, weil, wie Goethe sagt, <alles Vollkommene in seiner Art über seine Art hinausgehen und etwas anderes Unvergleidibares werden muß». Sein Witz, seine Gesdieitheit und Geistigkeit sind von frömmster und kindlidister, sind von Diditer-Art! Waffen sind sie der Reinheit, Editheit, Natur gegen das Fremde, Trübende, Ver-fälsdiende, gegen all das, was er in träumerisdier Veraditung <Eigensdiaften> nennt. <Der Mann ohne Eigensdiaften> ist iij bedeutendstem Sinne ein aktuelles Budi.»
HERMANN BROCH
«Die Domäne des großen Epikers ist und bleibt die <Mensdi-lidie Komödie> im weitesten Sinn des Wortes. Robert Musil gehört zu diesen Autoren des umfassend Episdien. Seine <MensdiIidie Komödie> begreift die ganze Welt in sidi. Seine Präzision ist europäisdi, westeuropäisdi. Er ist vielleidit der exakteste Sdiriftsteller in der Literaturgesdiidite. Er duldet nidits Vages oder Unklares. Er läßt das Irrationale nur in der Verkleidung des Unendlidien zu - idi meine die unendlidie Vielfalt der Vernunft -, denn er weiß um seine göttlidie Aufgabe. Und dementsprediend ist sein Werk - wie das jedes großen episdien Sdiriftstellers - in Wahrheit ohne Ende.»
Vissza