Narziss und Goldmund

Fülszöveg

„Die Natúrén von deiner Art, die mit den starken und zarten Sinnen, die Beseelten, die Tráumer, Dichter, Liebenden, sind uns andern, uns Geistmenschen, beinahe immer überlegen", lafit der Dichter seinen Narzifi zu Goldmund sagen. Die sinnenhafte Erlebniswelt mit all ih-ren Entzückungen, ihren Leiden und Konflikten, der heifie flüchtige Au-genblick einer unruhevollen Jugend wird hier beschworen. Doch im Hintergrund, im Sdhweigen beredt, spricht ebenbürtig, gleichwertig die Gegenstimme des Geistes aus dem Klosterbruder Narzifi. Wenn Narzifi von Anfang bis zu Ende der Zucht des Gedanken folgt, so scheint sich Goldmund ganz der Welt, der Liebe und der Schönheit anheimzugeben. Die Gefahr dieser beiden Natúrén ist in dieser das Ertrinken in der Sinnenwelt, in jener das Ersticken im luftleeren Raum. Aber jede geht den Weg der Erkenntnis des eigenen Wesens. In der Vertiefung der Ge-gensatze reifen sie bis zu der Stufe, da „die Kampfer beginnen, einan-der zu erkennen, nicht mehr in ihrer... Tovább

Fülszöveg

„Die Natúrén von deiner Art, die mit den starken und zarten Sinnen, die Beseelten, die Tráumer, Dichter, Liebenden, sind uns andern, uns Geistmenschen, beinahe immer überlegen", lafit der Dichter seinen Narzifi zu Goldmund sagen. Die sinnenhafte Erlebniswelt mit all ih-ren Entzückungen, ihren Leiden und Konflikten, der heifie flüchtige Au-genblick einer unruhevollen Jugend wird hier beschworen. Doch im Hintergrund, im Sdhweigen beredt, spricht ebenbürtig, gleichwertig die Gegenstimme des Geistes aus dem Klosterbruder Narzifi. Wenn Narzifi von Anfang bis zu Ende der Zucht des Gedanken folgt, so scheint sich Goldmund ganz der Welt, der Liebe und der Schönheit anheimzugeben. Die Gefahr dieser beiden Natúrén ist in dieser das Ertrinken in der Sinnenwelt, in jener das Ersticken im luftleeren Raum. Aber jede geht den Weg der Erkenntnis des eigenen Wesens. In der Vertiefung der Ge-gensatze reifen sie bis zu der Stufe, da „die Kampfer beginnen, einan-der zu erkennen, nicht mehr in ihrer Fremdheit, sondern in ihrem Aufein-ander-angewiesen-Sein". Gegensätze, die sonst in Hesses
Scbutzuinsdilai Erich Robde
Frühwerk unvereinbar sind, habén Frieden geschlossen. Die Polaritat seines eigenen Wesens — Sinneslust und Geistesfreude —, ein Kernpro-blem seiner Dichtung auch, findet durch den trennenden Schnitt in zwei selbstandige Wesen und derén Sichfinden in der Freundschaft ihre überzeugende Ausdrucksform. Tho-mas Manns Charakteristik der Freundschaft als „Geheimnis der Identitat" findet ihre bestatigende Erlauterung in einem Ausspruch Hesses über seine Prosadichtungen. „In allén handelt es sidi nicht um Geschichten, Verwicklungen und Spannungen, sondern sie sind im Grundé Monologe, in denen eine einzige Person in ihren Beziehungen zurWelt und zum eigenen Ich be-trachtet wird." Die Lösung des Problems, in der Erzahlung von Narzifi und Goldmund dichterisch, sinn-bildhaft, erláuterte und verallgemei-nerteHermannHesse in einem Brief: „Sie gehören untrennbarzusammen, Geist und Seele, Verstand und Géműt, und wer eines von ihnen auf Kosten des anderen oder gar im Kampf gegen das andere überschatzt und überzüchtet, der sudit und pflegt das Halbe statt des Ganzén, er ist krank " Vissza