Fülszöveg
In einem kurzen, dynamischen Leben — zwi-
schen Wunderkindschaft und Armengrab — hat
Mozart alles zusammengefaßt, was vor ihm
und gleichzeitig die deutsche, italienische und
französische Musik schuf. So konnte er etwas
einziges werden: Mozart, der Europäer. In den
Adern seiner Musik lebt das achtzehnte Jahr-
hundert, Rousseau und die »Welt der Auf-
klärung«, italienischer Operngesang, deutsche
Innigkeit, Barocktheater und alpenländische
Hanswurstiade. Doch auf geheimnisvolle Weise
ist Mozarts Kunst nicht weniger mit der Welt
der Vorzeit verknüpft, mit Moliere, Ariost, Boc-
caccio, den Griechen und den großen katholi-
schen Hymnikern.
Anders als in anderen Büchern wird hier das
Leben Mozarts erzählt. Während wir von den
andern Genies gar nichts oder zu wenig wissen,
wis'sen wir von ihm fast zu viel : In einer Un-
menge von Zeugnissen stehen Mozarts körper-
liche, geistige und seelische Eigenschaften vor
uns—doch in seltsamerweise widersprechen sie
einander, ja...
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Fülszöveg
In einem kurzen, dynamischen Leben — zwi-
schen Wunderkindschaft und Armengrab — hat
Mozart alles zusammengefaßt, was vor ihm
und gleichzeitig die deutsche, italienische und
französische Musik schuf. So konnte er etwas
einziges werden: Mozart, der Europäer. In den
Adern seiner Musik lebt das achtzehnte Jahr-
hundert, Rousseau und die »Welt der Auf-
klärung«, italienischer Operngesang, deutsche
Innigkeit, Barocktheater und alpenländische
Hanswurstiade. Doch auf geheimnisvolle Weise
ist Mozarts Kunst nicht weniger mit der Welt
der Vorzeit verknüpft, mit Moliere, Ariost, Boc-
caccio, den Griechen und den großen katholi-
schen Hymnikern.
Anders als in anderen Büchern wird hier das
Leben Mozarts erzählt. Während wir von den
andern Genies gar nichts oder zu wenig wissen,
wis'sen wir von ihm fast zu viel : In einer Un-
menge von Zeugnissen stehen Mozarts körper-
liche, geistige und seelische Eigenschaften vor
uns—doch in seltsamerweise widersprechen sie
einander, ja sie heben sich schließlich auf. Wo
Mozart ist, ist immer Mysterium. Mit größter
Ehrfurcht nähert der Autor sich dem geliebten
Phänomen. Seine musikpsychologischen und
kulturgeschichtlichen Werke über Haydn und
Johann Strauß sind in vierzehn Sprachen er-
schienen. Sein Mozart erweist aufs neue die
Kunst, einen Menschen durch sein Werk und
das Werk durch den Menschen sprechen zu las-
sen. So kommt in Heinrich Eduard Jacobs Buch
neben dem Musikkenner und Historiker vor
allem der Psychologe zu Wort. Es gehört zur
Dialektik Mozarts, daß er, in seiner Zeit be-
fangen, zwar stilistisch aus ihr erklärt werden
kann, andererseits ist er viel zu groß für seine
und für jede Zeit. Die absolute Zeitlosigkeit
der Mozartschen Musikdramen spottet jeder
Möglichkeit, sie »stilgeschichtlich« einzurei-
hen, wie mancher Ästhetiker das versucht hat.
Ebensowenig wie etwa Shakespeare ein bloßer
»Elisabethaner« ist, ist Mozart etwa ein»Jose-
finer.«
Allerdings spiegelt sein Leben und Schaffen
viel von der raketenhaften Erscheinung Kaiser
Josefs II. wider; und es will etwa heißen, daß
Mozarts Leben kurz nach dem Tode des Kaisers
erlischt. Weit mehr noch aber wurzelt Mozart
in der Existenz seines eigenen Vaters. Leopold
Mozart —bis heute verkannt von den meisten
Biographen—ist der zweite Held dieses Buches,
wie er es auch im Leben seines Sohnes war.
Wolfgang Amadeus Mozart war weder Dichter
noch Philosoph. Aber nie hat ein Komponist
bei Philosophen und bei Dichtern, von Musi-
kern und Malern zu schweigen, einen solchen
Katarakt und Rausch von Deutungen erzeugt
wie Mozart. Kierkegaard, Goethe, H. Cohen,
Schopenhauer,E.T.A.Hoffmann,Mörike,Schin-
kel, Beethoven, Wagner, Schumann, Rossini,
Weber, Gounod, Busoni, Mahler und Sievogt;
Religiöse und Skeptiker, Charakterologen,
Mythenforscher und die tiefenpsychologische
Schule C. G. Jungs — es gibt niemanden, der
nicht eine Zeitlang um das Gestirn Mozarts
gekreist wäre. Noch nach 200 Jahren wirkt der
hohe Zauber von Werk und Mensch ungemin-
dert und rätselhaft fort. So heißt die Geschichte
Mozarts schreiben, ein Stück Geistesgeschichte
schreiben.
Vissza