Fülszöveg
Ulrich Becher wird 1910 in Berlin
geboren. Das Jurastudium in Genf
und Berlin hält ihn nicht lange.
Er stößt in Berlin zum Kreis um
George Grosz; er verkehrt mit Wie-
land Herzfelde und Erwin Piscator.
Sein erstes Stück, „Niemand", „ein
neuzeitliches Mysterienspiel" schar-
fer Welt- und Zeitkritik, entsteht
1931. Die Uraufführung - von Lion
Feuchtwanger befördert - wird von
der Berliner Volksbühne vorbereitet
und - 1933 verboten. Bechers erstes
Buch, sieben Kurzgeschichten unter
dem Titel „Männer machen Fehler",
erscheint 1932 und erregt Aufsehen
in der literarischen Öffentlichkeit.
Wenige Monate später wird es als
„entartet" verbrannt und verboten ,*
sein Autor ist auf der Fludit.
Wien wird die erste Station auf
seinem Weg. 1938 flieht Becher in
letzter Stunde vor dem „Anschluß*
aus Österreich. Über die Schweiz
gelangt er in der Mitte des Jahres
1941 auf abenteuerlichen Flucht-
wegen durch Frankreich und Spa-
nien in sein vorläufiges Exil Brasi-
lien....
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Fülszöveg
Ulrich Becher wird 1910 in Berlin
geboren. Das Jurastudium in Genf
und Berlin hält ihn nicht lange.
Er stößt in Berlin zum Kreis um
George Grosz; er verkehrt mit Wie-
land Herzfelde und Erwin Piscator.
Sein erstes Stück, „Niemand", „ein
neuzeitliches Mysterienspiel" schar-
fer Welt- und Zeitkritik, entsteht
1931. Die Uraufführung - von Lion
Feuchtwanger befördert - wird von
der Berliner Volksbühne vorbereitet
und - 1933 verboten. Bechers erstes
Buch, sieben Kurzgeschichten unter
dem Titel „Männer machen Fehler",
erscheint 1932 und erregt Aufsehen
in der literarischen Öffentlichkeit.
Wenige Monate später wird es als
„entartet" verbrannt und verboten ,*
sein Autor ist auf der Fludit.
Wien wird die erste Station auf
seinem Weg. 1938 flieht Becher in
letzter Stunde vor dem „Anschluß*
aus Österreich. Über die Schweiz
gelangt er in der Mitte des Jahres
1941 auf abenteuerlichen Flucht-
wegen durch Frankreich und Spa-
nien in sein vorläufiges Exil Brasi-
lien. Er hält sich mehrere Jahre in
Rio de Janeiro auf und übersiedelt
dann auf eine Urwaldfarm. Neben
zahlreichen publizistischen Arbei-
ten für brasilianische und deutsche
antifaschistische Blätter in Latein-
amerika entsteht das große Vers-
epos „Brasilianischer Romanzero",
das in farbenglühenden Bildern die
überwältigende Schönheit des Gast-
landes preist.
Gegen Ende des Krieges geht Becher
nach New York. Dort beginnt er
den großen Novellenzyklus „Aus
vier New Yorker Nächten" («Nach-
tigall will zum Vater fliegen"). Eine
„schwejkartige" Posse, Persiflage
auf den faschistischen Rassenwahn
im okkupierten Österreich, schreibt
er zusammen mit dem Wiener Schau-
spieler Peter Preses. „Der Bockerer"
(1944) wird einer der großen Nach-
kriegserfolge im Wiener Theater-
leben.
Ulrich Becher kehrt 1948 nach
Österreich zurück und nimmt nach
kurzem Aufenthalt in Westdeutsch-
land schließlich seinen Wohnsitz
in der Schweiz. Noch im Jahr der
Rückkehr schreibt er, wieder mit
Preses, eine Posse um den lieben
Augustin „Der Pfeifer von Wien".
Dann entsteht in rascher Folge eine
Reihe von großen dramatischen Ar-
beiten, vornehmlich aus der Exil-
thematik, die Becher bald in die
erste Reihe der Nachkriegsdrama-
tiker rücken lassen: „Samba" (1949),
„Feuerwasser" (1951), „Mademoi-
selle Löwenzorn" (1953), „Die Klei-
nen und die Großen" (1955).
Die kräftige antifaschistische Ten-
denz, die Ulrich Bechers Bühnen-
stücke bestimmt und sie zu huma-
nistisch tragender Literatur werden
läßt, ist auch seiner Prosa eigen.
In dem Novellenzyklus „Nachtigall
will zum Vater fliegen" haben die
Titelnovelle und „Der schwarze
Hut" vornehmlich Schicksale deut-
scher Emigranten in den USA zum
Vorwurf. Trotz ihrer zu großen
Detailfreudigkeit, die mitunter die
Konturen der scharfen und sehr
differenzierten Kritik an der ka-
pitalistischen Gesellschaft ver-
schwimmen läßt, gehören sie zu den wesentlichen Darstellungen der deutschen antifaschistischen Emigrationsliteratur. Die Entwicklung -der Bechersehen Prosa erreicht mit dem Roman „Kurz nach 4" (1957) ihren vorläufigen Höhepunkt. Die Geschichte des Wiener Graphikers Franz Zborowsky, der sich als Mitglied der Internationalen Brigaden in Spanien, als standhafter Kämpfer im faschistischen KZ und als Partisan in den Bergen Jugoslawiens bewährt hat, erhebt sich weltanschaulich und in der künstlerischen Durchdringung - wie sie sich auch in der glücklichen Heldenwahl offenbart - über den bürgerlichen Antifaschismus, wie ihn Kornau („Samba"), Charlie Browns Selbsthelfertum („Feuerwasser") oder Dr. Till Uhlen („Mademoiselle Löwenzorn") verkörpern.
Die Aufführung der wichtigsten Stücke an führenden Theatern der DDR hat Ulrich Becher in unserer literarischen Öffentlichkeit mehr als Dramatiker denn als Prosaschriftsteller bekannt gemacht. Unsere Auswahl aus der umfangreichen Sammlung seiner Erzählungen „Männer machen Fehler" (1958), die auf jenem ersten, 1932 erschienenen und gleichnamigen Band aufbaut, will damit beginnen, das Bild vom Schaffen des Autors zu runden. Die große zeitkritische Linie der Dramatik, der Novellen und des Romans wird man in der Prosa unseres Bandes vielleicht nicht auf den ersten Blick erkennen. Die „Geschichten der Windrose", die in aller Herren Ländern am Fluchtweg des Autors ihren stofflichen Anfang nahmen, haben tatsächlich in keinem Fall die große antifaschistische Thematik zum zentralen Gegenstand. Und dennoch kreisen sie literarisch um den gleichen Pol. Für Becher ist das Exil in größerem Maße als für viele emigrierte Schriftsteller Stoff und Thema in Fülle geworden. Deshalb wird immer wieder das Thema der Bedrohung und Bewährung menschlicher Existenz, wie es in Zeiten des Terrors und der Verfolgung evident wird, aufgeworfen.
Auch wenn die individuelle Erfahrung des Autors keine Lösung sieht, hüllt warme Anteilnahme der Darstellung die leidenden und gegen das Leiden kämpfenden Menschen ein. Die Erfahrungen in der Zeichnung der an der bürgerlichen Gesellschaft Gescheiterten, wie wir sie schon im ersten Erzählungsband ausgeprägt vorfinden, werden durch die Erlebnisse des Autors seit 1933 ergänzt. Den „Außenseitern" wie Josua und Nepomuk Hagebutt, wie Mirsky, Judith Fünffrank und Kil-roy gehört die Liebe und Aufmerksamkeit des Autors. Sein Glaube an den Menschen, sein echt humanistisches Anliegen verbindet sein literarisches Wirken dem unserer sozialistischen Literatur.
Vissza