Fülszöveg
Für Martin Luther gilt vielleicht noch mehr als für Goethe: Sein Bild ist fast bis zur Unkenntlichkeit entstellt worden durch Monumente, treuherzige Bilder, oder auch feindselige Legendenbildung. Umstritten ist er immer gewesen, von seinem ersten Auftreten an. Seine Zeit ist uns noch viel ferner als die Goethezeit, und doch betreffen uns die Entscheidungen, die damals fielen, mehr denn je. Freiheit des Einzelmenschen, der Staat, die Nation, Glaube und Unglaube, Autorität und Recht auf die eigene Uberzeugung: Um diese Dinge ging es und geht es noch heute. Eine zerrissene, von größten Gegensätzen geschüttelte Epoche, ein unvorstellbar zersplittertes Land - und in ihm ein Einzelner, der den Mut hatte, aufzutreten, und die Kraft, sich zu behaupten gegen Kaiser und Papst, gegen Weltmächte und etablierte Institutionen. Er veränderte unsere Welt grundlegend. Bis heute stehen wir unter den Auswirkungen. Immer wieder drängen die Fragen, die damals aufgeworfen wurden, zu neuer Entscheidung....
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Fülszöveg
Für Martin Luther gilt vielleicht noch mehr als für Goethe: Sein Bild ist fast bis zur Unkenntlichkeit entstellt worden durch Monumente, treuherzige Bilder, oder auch feindselige Legendenbildung. Umstritten ist er immer gewesen, von seinem ersten Auftreten an. Seine Zeit ist uns noch viel ferner als die Goethezeit, und doch betreffen uns die Entscheidungen, die damals fielen, mehr denn je. Freiheit des Einzelmenschen, der Staat, die Nation, Glaube und Unglaube, Autorität und Recht auf die eigene Uberzeugung: Um diese Dinge ging es und geht es noch heute. Eine zerrissene, von größten Gegensätzen geschüttelte Epoche, ein unvorstellbar zersplittertes Land - und in ihm ein Einzelner, der den Mut hatte, aufzutreten, und die Kraft, sich zu behaupten gegen Kaiser und Papst, gegen Weltmächte und etablierte Institutionen. Er veränderte unsere Welt grundlegend. Bis heute stehen wir unter den Auswirkungen. Immer wieder drängen die Fragen, die damals aufgeworfen wurden, zu neuer Entscheidung. Friedenthals großes Luther-Buch, nach seiner intensiven, jahrelangen Beschäftigung mit dem Thema vom Leser mit Spannung erwartet, ist weit mehr als ein biographischer Beitrag zur 450-Jahr-Feier der Reformation im Jahr 1967. Es läßt die Erscheinung und das Wirken Luthers vor dem Hintergrund einer ebenso farbigen wie von hektischen, gefährlichen Zweifeln erfüllten Epoche der anbrechenden Neuzeit erstehen. In 30 Kapiteln ziehen an dem Leser die Lebensstationen Martin Luthers vorüber: der Erfurter Student und der Mönch in Wittenberg,
der Rompilger, der Rebell und seine 95 Thesen, der vom Bannstrahl Getroffene, der Angeklagte vor Kaiser und Reich, der Schöpfer der deutschen Bibel. Wir werden nach Rom geführt, in das Feldlager der Landsknechte, in die Intrigenkabinette der Hohen Politik. Die einsamen Kämpfe im Kloster und die Gipfelkonferenzen der großen und ohnmächtigen Diplomaten. Plünderung, Bauernkrieg Der Autor stützt sich bei seiner Darstellung auf authentisches Material aus der reichen zeitgenössischen Literatur, auf Flugschriften, Pamphlete, Briefe, die Werke Luthers und der Mitreformatoren und ihrer Gegner. Die unübersehbare Sekundärliteratur ist sorgfältig zu Rate gezogen, aber mit großer Unabhängigkeit behandelt. Der Autor ist kein Fachtheologe, und das scheint eminent wichtig für das heutige Luther-Bild, das sonst in unserem Jahrhundert im wesentlichen eine Angelegenheit der Theologen geblieben ist. Als Kulturhistoriker von hohem Rang will Friedenthal, wie schon in seinem Goethe-Buch, wiederum einen Menschen zeigen, nicht den Vertreter einer Lehre noch den Begründer einer Kirche oder einer Partei. Auch hier hat er wieder großen Wert darauf gelegt, zu erzählen und nicht Thesen und Meinungen vorzutragen. Der Leser soll »dabeisein«. Er wird eine Epoche miterleben, die keineswegs nur Geschichte und Vergangenheit bedeutet, sondern in ihren Hauptproblemen unmittelbarste Gegenwart darstellt.
R. PIPER & CO VERLAG
Vissza