Fülszöveg
«Im deutschen Böhrnen ist die Literatur — Zeitungsschrei-berei und die bildende Kunst ihrerseits das gewordén, was dem Journalismus entspricht. Es giebt nur zwei Wege, die-sen Zustand irgendwie zu überdauern: entweder sich auf sieh selbst zurückzuziehen, sich enger an das Land, seine Art und Anmut anzuschliefien oder in die Fremde zu ziehen, wo sich soviel Groöes und VerheiBungsvolles be-giebt und mit der stillen Hoffnung im Herzen, als Kön-ner in die Heimat wiederzukehren, um sie neu und würdig und reif auszusprechen mit echtgoldenen Worten.
So zog Emil Őrlik aus. So wird er noch einigemal auszie-hen5 irgendeiner rufenden Schönheit nach oder, um vor ir-gendeiner GröBe sich zu verneigen, wie er es in diesem Jahre tat, wo seine Fahrt bis nach Japan geht. Aber immer, auch von dort, wird er in sein Heimatland, Böhmen, zu-rückkommen, immer tiefer in dieses Land wird seine Wie-derkehr reichen, und immer umfassender und breiter wird das Wiedersehen sein mit den wartenden Dingen, die...
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Fülszöveg
«Im deutschen Böhrnen ist die Literatur — Zeitungsschrei-berei und die bildende Kunst ihrerseits das gewordén, was dem Journalismus entspricht. Es giebt nur zwei Wege, die-sen Zustand irgendwie zu überdauern: entweder sich auf sieh selbst zurückzuziehen, sich enger an das Land, seine Art und Anmut anzuschliefien oder in die Fremde zu ziehen, wo sich soviel Groöes und VerheiBungsvolles be-giebt und mit der stillen Hoffnung im Herzen, als Kön-ner in die Heimat wiederzukehren, um sie neu und würdig und reif auszusprechen mit echtgoldenen Worten.
So zog Emil Őrlik aus. So wird er noch einigemal auszie-hen5 irgendeiner rufenden Schönheit nach oder, um vor ir-gendeiner GröBe sich zu verneigen, wie er es in diesem Jahre tat, wo seine Fahrt bis nach Japan geht. Aber immer, auch von dort, wird er in sein Heimatland, Böhmen, zu-rückkommen, immer tiefer in dieses Land wird seine Wie-derkehr reichen, und immer umfassender und breiter wird das Wiedersehen sein mit den wartenden Dingen, die auf seine stille und ernste Kunst hoffen.»
Bilke über Őrlik, 1899
Rilke war knapp einundzwanzig Jahre alt und in literarischen Kreisen kei-neswegs ein Unbekannter mehr, als er seiner Heimatstadt Prag für immer den Rücken kehrte und ein unstetes Wanderleben begann. In vielen Er-záhlungen des jungen Dichters aber wird das Panorama der vom Hrad-schin gekrönten Stadt noch einmal beschworen, werden ihre heimlichen Winkel und práchtigen Palásté, ihre Historie und ihre kulturellen Traditio-nen wieder lebendig. Es sind Erinne-rungen an die Zeit der Kindheit und
Jugend, denen er intensiv und nicht
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ohne Wehmut nachspürt. Die Schick-sale tscheehischer und deutscher Menschen in diesen Erzáhlungen sind von den nationalen und sozialen Spannungen im Prag des ausgehen-den 19. Jahrhunderts bestimmt. Auch die eigene, durch Familientraditionen eingeengte Entwicklung láfít der Dichter nachdenklich Revue passie-
ren. Erscheinen im Rückblick diese Jahre als eine Spanne des Leidens, so bleibt die Liebe zur böhmischen Hei-mat und ihrer Metropole davon unbe-rührt. Rilkes verstándnisvolle Haltung gegenüber dem vom Habsburgerstaat unterdrückten tschechischen Volk spricht aus mancher Erzáhlung. «Seim Prag aber, das Prag der deut-schen Minderheit und ihrer Kultur, scheint ihm eine vom Untergang be-drohte Insel. In die Welt hinauszuge-hen war für ihn, den Künstler, eine Möglichkeit, der bedrückenden Situa-tion zu entgehen.
Die von Joachim Schreck herausgege-bene Auswahl früher Erzáhlungen stellt einen autobiographisch wichti-gen und zumeist unbekannten Teil von Rilkes literarischer Entwicklung vor und macht auf die Bedeutung der Stadt Prag für die Entfaltung dieses Talents aufmerksam.
Vissza