Kinder brauchen Märchen

Fülszöveg

In seinem neuen Buch beschreibt Bettelheim die Bedeutung von Márchen für die psychologische Entwicklung des Kindes. Er legt dar, daB gerade das Márchen dem Kind eine Möglichkeit gibt, die inneren Konflikte, die es in den verschiedenen Phasen seiner seelischen und geistigen Entwicklung - zum Teil unbewuBt - erlebt, intuitív zu erfassen und in der Phantasie auszuleben und zu lösen. Das Márchen ist der Zauberspiegel, der die innere Welt des Kindes widerspiegelt, seine Ángste, Wünsche und Phantasien, und es zeigt zugleich auf, welche Entwicklungsschritte zu seiner Reifung notwendig sind. Die meisten modernen Kinderbücher wie auch die spáteren Neufassungen altér Márchenstoffe verschweigen dem Kind, daB viele Schwierigkeiten im Leben ihre Ursache in der menschlichen Natúr habén, in der Neigung aller Menschen, aus Zorn und Angst aggressiv, unsozial, egoistisch zu handeln. Sie tun vielmehr so, als ob alb Menschen von Natúr aus gut waren. Kinder wissen aber recht genau, daB sie nicht immer... Tovább

Fülszöveg

In seinem neuen Buch beschreibt Bettelheim die Bedeutung von Márchen für die psychologische Entwicklung des Kindes. Er legt dar, daB gerade das Márchen dem Kind eine Möglichkeit gibt, die inneren Konflikte, die es in den verschiedenen Phasen seiner seelischen und geistigen Entwicklung - zum Teil unbewuBt - erlebt, intuitív zu erfassen und in der Phantasie auszuleben und zu lösen. Das Márchen ist der Zauberspiegel, der die innere Welt des Kindes widerspiegelt, seine Ángste, Wünsche und Phantasien, und es zeigt zugleich auf, welche Entwicklungsschritte zu seiner Reifung notwendig sind. Die meisten modernen Kinderbücher wie auch die spáteren Neufassungen altér Márchenstoffe verschweigen dem Kind, daB viele Schwierigkeiten im Leben ihre Ursache in der menschlichen Natúr habén, in der Neigung aller Menschen, aus Zorn und Angst aggressiv, unsozial, egoistisch zu handeln. Sie tun vielmehr so, als ob alb Menschen von Natúr aus gut waren. Kinder wissen aber recht genau, daB sie nicht immer gut sind; und oft, wenn sie es sind, waren sie es lieber nicht. Sie fühlen sich deshalb oft mit ihren schlimmsten Ángsten alléin gelassen: mit ihren zornigen, chaotischen oder sogar gewalttátigen Phantasien, mit der Angst vor der Sexualitát, der Angst, nutzlos, verlassen und ausgestoGen zu sein, wie auch ihrem grenzenlosen Bedürfnis, geliebt zu werden. Die altén Volksmárchen nehmen diese Konflikte ernst und geben ihnen Gestalt. Bettelheim zeigt anhand von brillantén Interpretationen einzelner Márchen - „Hánsel und Gretel", „Rotkáppchen", „Schneewittchen", „Dornröschen", „Aschenputtel", „Der Froschkönig", um nur einige zu nennen -, wie diese dem Kind bei der Bewáltigung seelischer Entwicklungsprobleme helfen: wie die Gestalt der bősen Stiefmutter dem Kind hilft, mit seiner Enttáuschung fertig zu werden, wenn es die eigene Mutter aus Wut oder auch nur aus Müdigkeit plötzlich als fremd und bőse erlebt . . . wie die Ankunft der guten Fee dem Kind die beruhigende GewiBheit gibt, daB die „gute" Mutter wiederkommen und es beschützen wird . . . wie der schlieGliche Sieg des jüngsten oder des „dümmsten" Sohnes dem Kind die Vissza