Fülszöveg
Uberlebensgroß ragt seine Gestalt aus fernen Zeiten in unsere Gegenwart: Karl, König der Franken, Römischer Kaiser. Er brachte das Christentum nach Norddeutschland, er gab einer ganzen Epoche seinen Namen. Als Karl der Große steht er am Anfang der deutschen, als Charle-magne am Beginn der französischen Geschichte. Die Krönung des Frankenkönigs Karl zum Kaiser, an jenem Weihnachtstag des Jahres 800 in Rom, war ein würdiger Höhepunkt im Leben dieses größten mittelalterlichen Herrschers. Es war gleichzeitig eine Demonstration unerhörten politischen Fingerspitzengefühls: Der Papst, Stellvertreter Christi auf Erden, stattete den Germanenherrscher mit den Insignien des römischen Imperiums aus. Die spirituelle Macht des Christentums, die unverbrauchte Volkskraft der Germanen und das staatspolitische Erbe der Antike: auf diesen Fundamenten sollte über ein Jahrtausend lang das Geschick des Abendlandes ruhen. Dreißig Jahre lang hatte der Heerkönig der Franken fast ununterbrochen Krieg...
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Fülszöveg
Uberlebensgroß ragt seine Gestalt aus fernen Zeiten in unsere Gegenwart: Karl, König der Franken, Römischer Kaiser. Er brachte das Christentum nach Norddeutschland, er gab einer ganzen Epoche seinen Namen. Als Karl der Große steht er am Anfang der deutschen, als Charle-magne am Beginn der französischen Geschichte. Die Krönung des Frankenkönigs Karl zum Kaiser, an jenem Weihnachtstag des Jahres 800 in Rom, war ein würdiger Höhepunkt im Leben dieses größten mittelalterlichen Herrschers. Es war gleichzeitig eine Demonstration unerhörten politischen Fingerspitzengefühls: Der Papst, Stellvertreter Christi auf Erden, stattete den Germanenherrscher mit den Insignien des römischen Imperiums aus. Die spirituelle Macht des Christentums, die unverbrauchte Volkskraft der Germanen und das staatspolitische Erbe der Antike: auf diesen Fundamenten sollte über ein Jahrtausend lang das Geschick des Abendlandes ruhen. Dreißig Jahre lang hatte der Heerkönig der Franken fast ununterbrochen Krieg geführt, hatte seine Macht über Sachsen, Bayern und Langobarden ausgedehnt, sein Reich im Süden gegen die Araber, im Osten gegen Slawen und Awaren abgesichert und der Welt der westlichen Christenheit eine Ordnung und Einigkeit aufgezwungen, wie man sie seit den Tagen der Pax Romana nicht mehr gekannt hatte. Karl war sich der dunklen, chaotischen Urgründe seines Volkes wohl bewußt; deshalb trachtete er, seinen Germanen die Zivilisation zu vermitteln: durch Reform und Ausbreitung der katholischen Kirche; durch die Gründung von Schulen und das Wiederauflebenlassen klassischer Bildung; und durch die Aufrechterhaltung von Frieden und Recht im weiten Umkreis seines Reiches.
Die Legende hat Karl den Großen zum Idealbild des mittelalterlichen Herrschers stilisiert: gerecht und fromm, kriegerisch und weise. Doch aus zeitgenössischen Quellen ersteht eine ganz andere Persönlichkeit, eigenständig und faszinierend:
(Fortsetzung auf der hinteren Klappe)
von gewaltiger Statur und ebensolchem Appetit, ein großer Reiter und Jäger, ein liebevoller Vater, aber als Gatte allen seinen Ehefrauen (es waren ihrer vier) untreu; ein Mann, dessen Interessen von den Zeugnissen des klassischen Altertums bis zu den Meßgewändern seiner Bischöfe reichte, von der Astronomie bis zu neuen Methoden der Landwirtschaft, von der Kirchenliturgie bis zur Vereinheitlichung von Maßen und Gewichten. Seine überwältigende Persönlichkeit - und sie allein - war es, die das Reich, das er geschaffen hatte, einte. Seine Nachkommen waren nicht imstande, die auseinanderstrebenden Teile des karolingischen Imperiums zusammenzuhalten. Seit damals gibt es Deutschland und Frankreich. Seit Karl dem Großen gibt es Europa.
FRIEDRICH HEER, geboren 1916 in Wien, Studium der Geschichte, Dr. phil. Nach dem Krieg Redakteur katholischer Zeitschriften; lehrt seit 1950 Europäische Geistesgeschichte an der Universität Wien; ständiger Mitarbeiter in- und ausländischer Zeitschriften. Träger des Großen österreichischen Staatspreises 1972. Unter seinen zahlreichen Publikationen seien hervorgehoben: „Gespräch der Feinde" (1949); „Europäische Geistesgeschichte" (1953); „Geschichte des Mittelalters" (1961); „Gottes erste Liebe" (1967); „Scheitern in Wien" (1974 bei Molden).
VERLAG FRITZ MOLDEN
Vissza