Jacques Offenbach und das Paris seiner Zeit

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Zum hundertsten Todestag von Jacques Offenbach (1819-1880), am 5. Oktober, legt der Insel Verlag das im Rahmen der Schriften von Siegfried Kracauer erschienene Jacques Offenbach und das Paris seiner Zeit als Sonderausgabe vor. »>Man staune nicht über soviel Ernst inmitten des Leichtsinns<: dieses Motto von Baudelaire hat Siegfried Kracauer seiner Jacques-Offenbach-Biographie vorangestellt. Auch ich stelle es«, schreibt Hajo Kesting, »an den Anfang, weil ich kein anderes Wort weiß, das so plastisch und präzis den Charakter dieses Buches beschreibt. Offenbach, der Schöpfer der Operette, der Offenbachiade, dieses leichten und oft als oberflächlich oder gar frivol eingeschätzten Genres des Musiktheaters, erscheint auf den ersten Blick nicht als der Gegenstand für eine tiefsinnige Betrachtung. Ihn charakterisiert der Leichtsinn, >le frivole< heißt es bei Baudelaire. Und dennoch hat Kracauer über ihn ein zwar unpathetisch helles, aber sehr ernstes Buch geschrieben. Er selbst nennt es... Tovább

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Zum hundertsten Todestag von Jacques Offenbach (1819-1880), am 5. Oktober, legt der Insel Verlag das im Rahmen der Schriften von Siegfried Kracauer erschienene Jacques Offenbach und das Paris seiner Zeit als Sonderausgabe vor. »>Man staune nicht über soviel Ernst inmitten des Leichtsinns<: dieses Motto von Baudelaire hat Siegfried Kracauer seiner Jacques-Offenbach-Biographie vorangestellt. Auch ich stelle es«, schreibt Hajo Kesting, »an den Anfang, weil ich kein anderes Wort weiß, das so plastisch und präzis den Charakter dieses Buches beschreibt. Offenbach, der Schöpfer der Operette, der Offenbachiade, dieses leichten und oft als oberflächlich oder gar frivol eingeschätzten Genres des Musiktheaters, erscheint auf den ersten Blick nicht als der Gegenstand für eine tiefsinnige Betrachtung. Ihn charakterisiert der Leichtsinn, >le frivole< heißt es bei Baudelaire. Und dennoch hat Kracauer über ihn ein zwar unpathetisch helles, aber sehr ernstes Buch geschrieben. Er selbst nennt es eine >Gesellschaftsbiographie<. Für mich ist es zugleich ein Musterfall einer Künstlerbiographie, einer der Gründe, warum ich es Ihnen zum Lesen empfehlen möchte.« Das Buch, in der Emigration geschrieben und publiziert (Amsterdam 1937), zeugt von der prekären Situation des Intellektuellen in der Emigration. Kracauer schreibt in seinem Vorwort: »Dieses Buch gehört nicht in die Reihen jener Biographien, die sich in der Hauptsache darauf beschränken, das Leben ihres Helden zu schildern. Von derartigen Werken unterscheidet sich das vorliegende grundsätzlich.
Es ist keine Privatbiographie Jacques Offenbachs. Es ist eine Gesellscbafls-biograpbie. Eine Gesellschaftsbiographie in dem Sinne, daß es mit der Figur Offenbachs die Gesellschaft erstehen läßt, die er bewegte und von der er bewegt wurde, und dabei einen besonderen Nachdruck auf die Beziehungen zwischen der Gesellschaft und Offenbach legt. Wenn auch dieses Buch von der Operettenmusik Offenbachs nicht absieht, enthält es sich doch, seinem Vorhaben getreu, der innermusikalischen Analyse und Interpretationen. Sein eigentliches Thema ist viel eher die gesellschaftliche Funktion Offenbachs.«
Zusammengenommen ergibt sich eine Art Naturgeschichte des Paris in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, besonders des Paris in der Epoche des zweiten Kaiserreichs und seiner sozialen Problematik, auf welche die große Operette reagierte. Hier treten auf: der alte und der neue Adel, die Finanzaristokratie, die Dandys, die Bohemiens, die Kurtisanen, die Journalisten, die Massen. Zu diesem Buch des Philosophen und Soziologen, Romanciers und Feuille-tonisten Kracauer (1889-1966) schreibt Carl Dahlhaus in der Zeit: »Um es gleich zu sagen - es ist ein Meisterwerk, das von seiner Anziehungskraft nicht das Geringste eingebüßt hat: einer irritierenden Anziehungskraft, die es den Herz und Verstand bewegenden Widersprüchen verdankt, von denen sowohl die erzählte Geschichte als auch das Verhältnis des Erzählers zu seinem Gegenstand durchwirkt ist.« Vissza