Fülszöveg
Wenn Lukács sich später auf seine vormarxistische Philosophie bezog, so nannte er ausdrücklich die hiermit nach mühevollen Re-konstruktionsarbeiten vorgelegte Heidelberger Ästhetik<. Sie stellt in der Tat eine bedeutende selbständige Arbeit dar, die auch im Lichte der ausgearbeiteten, auf der Grundlage der marxschen Theorie geschriebenen Alters-Ästhetik Bestand hat. Als das dritte Kapitel der »Heidelberger Ästhetik< in der Zeitschrift Logos 1917/1 8 erschien, löste es alsbald ein erhebliches Echo aus: Arnold Hauser, Ernst Bloch, Max Weber, Oskar Becker, Ludwig Binswanger und Hans-Georg Gadamer, sie alle haben sich wesentlich auf die Thesen aus diesem Teil der »Heidel-berger Ästhetik<, pro oder contra, gestützt. Versteht Lukács in der »Philosophie der Kunst< auf den Spuren Leo Poppers das Kunstwerk als »normatives Mißverständnis* in dem Sinne, daß der Sinn des Kunstwerks sich von der Absicht des Produzenten sowohl wie vom Verständnis des Rezipierenden prinzipiell unterscheidet, so...
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Wenn Lukács sich später auf seine vormarxistische Philosophie bezog, so nannte er ausdrücklich die hiermit nach mühevollen Re-konstruktionsarbeiten vorgelegte Heidelberger Ästhetik<. Sie stellt in der Tat eine bedeutende selbständige Arbeit dar, die auch im Lichte der ausgearbeiteten, auf der Grundlage der marxschen Theorie geschriebenen Alters-Ästhetik Bestand hat. Als das dritte Kapitel der »Heidelberger Ästhetik< in der Zeitschrift Logos 1917/1 8 erschien, löste es alsbald ein erhebliches Echo aus: Arnold Hauser, Ernst Bloch, Max Weber, Oskar Becker, Ludwig Binswanger und Hans-Georg Gadamer, sie alle haben sich wesentlich auf die Thesen aus diesem Teil der »Heidel-berger Ästhetik<, pro oder contra, gestützt. Versteht Lukács in der »Philosophie der Kunst< auf den Spuren Leo Poppers das Kunstwerk als »normatives Mißverständnis* in dem Sinne, daß der Sinn des Kunstwerks sich von der Absicht des Produzenten sowohl wie vom Verständnis des Rezipierenden prinzipiell unterscheidet, so wendet er sich in der »Heidelberger Ästhetik< gestützt auf Kants »Kritik der Urteilskraft und vor allem Emil Lasks theoretische Schriften der Autonomie der Kunst zu. Während Lukács die metaphysische Tätigkeit als heteronom ansieht, ist das ästhetische Erlebnis für ihn grundsätzlich autonomer Natur.
Von hier führt ein direkter Weg zur späteren, abschließenden Ästhetik von Lukács. Deutlich sind an der Heidelberger Ästhetik schon die Spuren der Hegeischen Phänomenologie und der Einfluß von Husserl. Wenn auch die philosophische Konzeption dieser frühen Ästhetik die Mimesis-Problematik und die marxistische Fundierung des Subjekt-Objekt-Verhältnisses nicht enthält, so ist die Hauptlinie der Entwicklung doch durchgehalten: die neokantianische Ästhetik geht dialektisch in einer »unmöglichen Synthese< zu einer materialistischen Begründung des Kunstwerks über.
Mit diesem Band wird die erste Hälfte der Arbeiten zur Ästhetik zugänglich, die Lukács vor seiner Wende zum Marxismus geschrieben hat. Der als nächster Band der Gesamtausgabe folgende Teil umfaßt die vom Autor so genannte Heidelberger Ästhetik. Lukács behandelt die Ästhetik als reine Geltungslehre im Unterschied von aller Psychologie und Metaphysik des Schönen. Er geht dabei von dem Wert des Sinngebildes Kunstwerk aus und sucht ihn durch Abgrenzung gegen die anderen Werte, besonders die theoretischen und praktischen, in seiner Eigenart zum Bewußtsein zu bringen. Insofern bewegen sich die Gedanken ganz im Rahmen der kritischen Philosophie, wie sie durch Kant begründet, in der siidwestdeutschen Schule ihre Ausgestaltung gefunden hat. Besonders stark ist der Einfluß von Lask zu merken.
Methodologische Erörterungen nehmen in den ersten Abschnitten einen breiten Raum ein. Sie sollen besonders die Notwendigkeit einer ästhetischen Phänomenologie dartun, die der eigentlichen Wertlehre des ästhetischen Sinngebildes vorauszugehen hat. Eine umfangreiche Skizze dieser Phänomenologie des schöpferischen und rezeptiven Verhaltens füllt das zweite Kapitel. Darauf kann im dritten die Darstellung der zentralen
ästhetischen Begriffe beginnen. Für den heutigen Leser bedeutet das Werk, in dem Lukács alle Probleme und viele Positionen seiner großen Ästhetik (Band 11/12 der Gesamtausgabe) anklingen läßt, die Begegnung mit einer intensiven und bohrenden Versenkung in die Traditionen der deutschen Philosophie, auch stilistisch auf dem höchsten Niveau der Zeit.
Vissza