Fülszöveg
Zwischen traumhaftem Sidi-Zurück-Tasten in die Vergangenheit und harter nüchterner Gegenwart befindet sich der Leser dieses erregenden Romans unversehens mit dem Erzähler, dem Mann Walter Wilhelm Gregor.
In die Stadt der Kindheit und Jugend im Osten sollte die Reise Gregors gehen, in die kleine Stadt an der Brahe, jenseits der neuen Grenze^f aber schon an der Grenze wird der Reisende aufgehalten, zu kurzer Überprüfung der Papiere nur, wie es zunächst scheint. Aber was wird daraus! Ein Verhör — vor einer Instanz, die mehr ist, als sie zu sein vorgibt. Wenn auch die trostlose kleine Baracke zwischen Bahnhof und Waldesrand nicht verlassen wird und nur ein Tag vergeht, so taucht doch aus Erinnerung, aus Bildern, Protokollen und Dokumenten die ganze Vergangenheit von vier Jahrzehnten auf — das Mit- und Nebeneinander vonDeutschen, Polen, Juden, auf der Schulbank, in den unruhigen gärenden Jahren während des ersten Weltkrieges, der Grenzkämpfe danach — und das Auseinanderleben und...
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Fülszöveg
Zwischen traumhaftem Sidi-Zurück-Tasten in die Vergangenheit und harter nüchterner Gegenwart befindet sich der Leser dieses erregenden Romans unversehens mit dem Erzähler, dem Mann Walter Wilhelm Gregor.
In die Stadt der Kindheit und Jugend im Osten sollte die Reise Gregors gehen, in die kleine Stadt an der Brahe, jenseits der neuen Grenze^f aber schon an der Grenze wird der Reisende aufgehalten, zu kurzer Überprüfung der Papiere nur, wie es zunächst scheint. Aber was wird daraus! Ein Verhör — vor einer Instanz, die mehr ist, als sie zu sein vorgibt. Wenn auch die trostlose kleine Baracke zwischen Bahnhof und Waldesrand nicht verlassen wird und nur ein Tag vergeht, so taucht doch aus Erinnerung, aus Bildern, Protokollen und Dokumenten die ganze Vergangenheit von vier Jahrzehnten auf — das Mit- und Nebeneinander vonDeutschen, Polen, Juden, auf der Schulbank, in den unruhigen gärenden Jahren während des ersten Weltkrieges, der Grenzkämpfe danach — und das Auseinanderleben und Gegeneinanderstehen im Polenkrieg und den schlimmen Jahren des Krieges bis zum trostlosen Ende.
Unter all den Gestalten aber, die in diesem Prozeß der Erinnerung und der Gewissenserforschung aus den verin-nenden Wassern der Zeit auftauchen und ihr Leben in Lust und Leid zu einem neuen Morgen oder auch zum Tode führen, wird eine auf schreckliche Weise gejrapwäjetig, auch wenn ihre Spur sich imUnoffiarirften verläuft: Dieter Sandberg, der Schulkamerad, der über Freikorps und Grenzkampf zum Studium kommt, Arzt wird — und dann in der Uniform mit dem silbernen Totenkopf immer dort zu finden ist, wo Gewalttat, Tod und Vernichtung den Weg der Macht kennzeichnen.
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Was will der Dichter, indem er Gestalten schafft, ihr Leben vor uns sich entfalten, Menschen leiden und sterben läßt? Offenbar will er im Aufzeigen dessen, was war und wie es kam, verstehen lassen, was heute ist — und, in vorsichtigen zarten Andeutungen nur, Wege in die Zukunft zeigen. Er bleibt aber ganz im Bereich der Dichtung, die — gewoben aus Traum und Erinnerung, aus Bewußtwerden des Unbewußten — nicht nur wirklich ist, sondern wahr in einem tieferen Sinn, im eigentlichen, mensch-lichen Sinn, der den Leser mit einbezieht, ihn teilnehmen läßt an diesem sehr subtilen Prozeß der Gewissensforschung, bei dem Härte, Grausamkeit und Schuld nicht ausgespart bleiben, nicht unterdrückt oder verdrängt werden, bei dem aber doch die Liebe, der Wille wieder gutzumachen, die Vergebung im Glauben das letzte Wort behalten — und nicht Rache, Strafe, Vergeltung! »Es muß viel mehr geschehen, um die Schmach, die die Menschen einander antun, zu tilgen.« Dieses Buch, das die menschliche Geschichte der letzten 4 bis 5 Jahrzehnte im deutsch-polnischen Grenzgebiet in einer Fülle lebendiger Gestalten und beklemmender und erschütternder Geschehnisse darstellt, ist in all seiner traumhaften Überwirklichkeit mehr als ein Zeitroman, es ist eine Dichtung. Der Verfasser hat mit diesem Roman sein episdies Werk auf den Höhepunkt geführt, der selten erreicht wird, auf dem das ursprüngliche Erzählen einer spannenden Geschichte mit der tiefdurchdachten Formgestalt einer klaren und durchsichtigen Komposition eins geworden ist, so daß das Bild des Menschen aus aller Verschüttung und Verdüsterung wieder in seiner ursprünglichen Ebenbildlichkeit erahnbar wird.
ECKART-VERLAG
Vissza