Wider den mißverstandenen Realismus

Fülszöveg

Die Frage des Realismus ist heute vielleicht die umstrittenste in der Literatur. Sie wird aber selten gründlich beantwortet. Viele lehnen jeden Realismus als einfach veraltet ab; andere wollen sogar bewußt antirealistische Tendenzen in einen zeitgemäßen Realismus umdichten. Und ist erst vom sozialistischen Realismus die Rede, so kommen — pro und contra — völlig entgegengesetzte politische Schlagworte ins Spiel. Das Buch von Georg Lukács versucht, in diesem Chaos eine gedankliche Ordnung zu schaffen. Darum untersucht er die verschiedenen Werke vorerst nicht vom technischen Standpunkt, sondern greift auf die großen weltanschaulichen Gegensätze unserer Periode zurück. Diese Analyse zeigt in der heutigen Literatur zwei Wege in diametral entgegengesetzten Richtungen auf: den von Thomas Mann und den von Franz Kafka. Die ausschließende Divergenz ihrer Weltgefühle läßt — bei gleichem Glanz im Artistischen — Werke völlig verschiedenen Charakters, entstehen. Bei Thomas Mann eine monumentale... Tovább

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Die Frage des Realismus ist heute vielleicht die umstrittenste in der Literatur. Sie wird aber selten gründlich beantwortet. Viele lehnen jeden Realismus als einfach veraltet ab; andere wollen sogar bewußt antirealistische Tendenzen in einen zeitgemäßen Realismus umdichten. Und ist erst vom sozialistischen Realismus die Rede, so kommen — pro und contra — völlig entgegengesetzte politische Schlagworte ins Spiel. Das Buch von Georg Lukács versucht, in diesem Chaos eine gedankliche Ordnung zu schaffen. Darum untersucht er die verschiedenen Werke vorerst nicht vom technischen Standpunkt, sondern greift auf die großen weltanschaulichen Gegensätze unserer Periode zurück. Diese Analyse zeigt in der heutigen Literatur zwei Wege in diametral entgegengesetzten Richtungen auf: den von Thomas Mann und den von Franz Kafka. Die ausschließende Divergenz ihrer Weltgefühle läßt — bei gleichem Glanz im Artistischen — Werke völlig verschiedenen Charakters, entstehen. Bei Thomas Mann eine monumentale Brücke von der Vergangenheit in die Zukunft, bei Franz Kafka einen unwiderstehlich anziehenden Abgrund. Der Sozialismus läßt ebenfalls widerspruchsvolle Tendenzen in der Literatur entstehen, freilich in ganz anderer Weise, mit anderen Gefühls- und Gedankeninhalten und deshalb mit anderen Formproblemen. Georg Lukács untersucht hier die ideologischen Grundlagen jener Entstellungen, die viele Produkte der sozialistischen Literatur zu einer dogmatischen Erstarrung, zu einem darstellerischen Schematismus geführt haben. Durch einen solchen zugleich historischen und ästhetischen Überblick will dieses Buch die Situation des Realismus in unseren Tagen erhellen. Vissza