Fülszöveg
Unsere Generation ist vielleicht verloren . . heißt es in den ,Forschungen eines Hundes'. Dieses schwache Vielleicht läßt eine Spur von Hoffnung. Bei ihrer näheren Bestimmung verrät Kafka eine Unsicherheit, die genau dem unermeßlichen Abstand vom wahren Wort entspricht und der Sicherheit entgegengesetzt ist, mit der die Reflexionen der teuflischen Vernünftigkeit auftreten und ausgleiten. Wie er den Fortschritt weder anerkennt noch ganz verwirft, ebenso zweideutig verkoppelt er Ferne und Nähe. ,Der wahre Weg geht über ein Seil, das nicht in der Höhe gespannt ist, sondern knapp über dem Boden. Es scheint mehr bestimmt stolpern zu machen, als begangen zu werden/ Mit der Auffassung, daß die gesuchte Lösung unerreichbar und doch zugleich hier und jetzt erreichbar sei, berührt sich der Aphorismus, der das Jüngste Gericht als ein Standrecht begreift."
Siegfried Kracauer (1931)
„Es gehört zu den ,Eigentümlichkeiten' und in gewissem Sinne zu den Paradoxien von Kafkas literarischer...
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Fülszöveg
Unsere Generation ist vielleicht verloren . . heißt es in den ,Forschungen eines Hundes'. Dieses schwache Vielleicht läßt eine Spur von Hoffnung. Bei ihrer näheren Bestimmung verrät Kafka eine Unsicherheit, die genau dem unermeßlichen Abstand vom wahren Wort entspricht und der Sicherheit entgegengesetzt ist, mit der die Reflexionen der teuflischen Vernünftigkeit auftreten und ausgleiten. Wie er den Fortschritt weder anerkennt noch ganz verwirft, ebenso zweideutig verkoppelt er Ferne und Nähe. ,Der wahre Weg geht über ein Seil, das nicht in der Höhe gespannt ist, sondern knapp über dem Boden. Es scheint mehr bestimmt stolpern zu machen, als begangen zu werden/ Mit der Auffassung, daß die gesuchte Lösung unerreichbar und doch zugleich hier und jetzt erreichbar sei, berührt sich der Aphorismus, der das Jüngste Gericht als ein Standrecht begreift."
Siegfried Kracauer (1931)
„Es gehört zu den ,Eigentümlichkeiten' und in gewissem Sinne zu den Paradoxien von Kafkas literarischer Produktivität, daß nur ein kleiner Teil des von ihm Geschriebenen selbst zum Druck befördert wurde. Neben dem ,Heizer'-Kapitel des ,Verschollenen', das er veröffentlichte, stehen die übrigen, rund dreihundert Manuskriptseiten dieses Romans, die er zurückbehielt; vom ,Prozeß'-Roman wurde nur die ,Gesetzeslegende' dem Publikum vorgelegt, und neben der vergleichsweise kleinen Gesamtmenge des überhaupt von ihm Publizierten steht die sehr viel größere Menge dessen, was - meist unvollendet, als mehr oder weniger bald abbrechendes Fragment - unpubliziert blieb und erst aus dem Nachlaß herausgegeben wurde, darunter vieles, was später berühmt wurde, mitunter auch viel umrätselt und vielfach kommentiert wurde (. . .). Von diesen Nachlaßtexten - genauer: denen außerhalb der drei Romane - werden hier die Texte aus den letzten Jahren von Kafkas Leben vorgelegt, in chronologischer Ordnung, nach den Handschriften des Autors und so, daß auch die Textfolge und die Textzusammenhänge der originalen Schriftträger - also der Kafkaschen Hefte, Konvolute und losen Blätter — erhalten blieben."
Jost Schillemeit
Vissza