Fülszöveg
»Europa war ursprünglich eine Gottheit, ein Mythos. Hesiod, der um das Jahr 900 vor unserer Zeitrechnung in Griechenland lebte, nennt sie als erster Schriftsteller im Vers 357 seiner >Theogonie<. Achtundzwanzig Jahrhunderte später begegnet man trotz allen Wechselfällen der Geschichte erneut Europa, das in den Träumen und im Denken von Philosophen, Schriftstellern und Politikern Spuren hinterlassen hat, einem Europa, das kein Mythos mehr, sondern Wirklichkeit geworden ist, im Begriffe, aus den Leiden seiner letzten Bürgerkriege heraus seine Einheit zu finden.
Denis de Rougemont geleitet als vollkommener Kenner des Gegenstandes seine Leser durch das Gewirr von Texten aus 2800 Jahren, die dem Namen und dem Gedanken Europas gewidmet sind. In der nach der Schlacht von Poitiers verfaßten >Mozarabischen Chronik< des Jahres 754 bezeichnet der Begriff >Europäer< zum ersten Male im christlichen Zeitalter die kontinentale Gemeinschaft, welche die von den Arabern bedrohten und zur...
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Fülszöveg
»Europa war ursprünglich eine Gottheit, ein Mythos. Hesiod, der um das Jahr 900 vor unserer Zeitrechnung in Griechenland lebte, nennt sie als erster Schriftsteller im Vers 357 seiner >Theogonie<. Achtundzwanzig Jahrhunderte später begegnet man trotz allen Wechselfällen der Geschichte erneut Europa, das in den Träumen und im Denken von Philosophen, Schriftstellern und Politikern Spuren hinterlassen hat, einem Europa, das kein Mythos mehr, sondern Wirklichkeit geworden ist, im Begriffe, aus den Leiden seiner letzten Bürgerkriege heraus seine Einheit zu finden.
Denis de Rougemont geleitet als vollkommener Kenner des Gegenstandes seine Leser durch das Gewirr von Texten aus 2800 Jahren, die dem Namen und dem Gedanken Europas gewidmet sind. In der nach der Schlacht von Poitiers verfaßten >Mozarabischen Chronik< des Jahres 754 bezeichnet der Begriff >Europäer< zum ersten Male im christlichen Zeitalter die kontinentale Gemeinschaft, welche die von den Arabern bedrohten und zur gemeinsamen Verteidigung gezwungenen Völker des Westens umfaßt. Das europäische Bewußtsein entspringt der gemeinsamen Gefahr. Im 13. Jahrhundert entwerfen Dante und Pierre Du Bois als erste Pläne für einen europäischen Bund. Aber erst nach dem Fall von By-zanz spricht Papst Pius II. die beinahe magische Formel: »Europa — unser Vaterland.«
Im Verlaufe der 500 Jahre, die uns von diesem Ereignis trennen, wimmelt es von Schriften, die von Europa, seinem Schicksal und seiner Berufung sprechen. Denis de Rougemont beschränkt sich auf etwa 300 Autoren. Diese Auswahl gestattet ihm die Gestaltung einer lockenden Chrestomathie des >Europa der Geister<, überreich an Gedanken und Argumenten von überraschender Zeitnähe. Man begegnet allen den Plänen für eine europäische Einigung, von Vorkämpfern wie Sully und William Penn bis zu den in den letzten Jahren abgeschlossenen Verträgen über die Schaffung des Europarates und der drei europäischen Gemeinschaften; Projekten von Idealisten wie Kant, Saint-Simon und Mazzini neben vielen anderen. Zusammen mit dem Verfasser entdeckt man die europäische Vision zahlrei-
cher Schriftsteller, die zu den berühmtesten der Weltliteratur gehören: Petrarca, Erasmus, Goethe, Novalis, Nietzsche, Rousseau, Voltaire, Hugo, Dostojewski und, neben den größten Zeitgenossen, Thomas Mann, Ortega, Romain Rolland, Valéry.
Durch dieses Buch wird der eindeutige Beweis erbracht, daß die Einigung der Europäer, die sich gegenwärtig vollzieht, nicht nur einer Forderung der Gegenwart entspricht, sondern einem jahrhundertealten Streben nach Einheit in der Vielfalt, die dem Wesen Europas eigen ist.«
Armand Gaspard zur französischen
Ausgabe des Buches in >Die Tat<, Zürich
Vissza