Fülszöveg
Das Kind saB am Tisch, den Kopf iri beide Hánde gestützt. Die groBe Tel-leruhr Qber dem Küchenbrett tickte laut. Nach jeder vollen Minute rückte dér Zeiger - zak - einen Schritt vor, langsam, schwerfállig, als risse er sich jmmeif nur mit Überwindung los.
Das Kind záh)lte die Zaks, ohne hinzusehen: zehn, fünfzehn. Jetzt war es halb. Um diese Zeit machte sich die Mutter sonst für den Nachtdienst fertig. Seit Jahjen ging sie Abend für Abend Punkt sieberi Uhr fort und kam erst am anderen Morgen zurück. Dazwischen lag die lange einsame Nacht. Die erste Zeit war alles noch gut gegangen. Eva schlief ein, wenn die Mutter fortging, und wachte erst auf, wenn die Mutter schon wieder neben ihr lag, bleich und erschöpft von der eintönigen Fabrikarbeit. Dann aber kamen die schweren Tráume. Eva fuhr mitten in der Nacht aus dem Schlaf empor, angstvoll, schweiBbedeckt. Der verschwimmende Schatten des schmalen Fensters lag wie ein groBes böses Auge auf ihr. Es war ein qualliges Auge, das nackt...
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Fülszöveg
Das Kind saB am Tisch, den Kopf iri beide Hánde gestützt. Die groBe Tel-leruhr Qber dem Küchenbrett tickte laut. Nach jeder vollen Minute rückte dér Zeiger - zak - einen Schritt vor, langsam, schwerfállig, als risse er sich jmmeif nur mit Überwindung los.
Das Kind záh)lte die Zaks, ohne hinzusehen: zehn, fünfzehn. Jetzt war es halb. Um diese Zeit machte sich die Mutter sonst für den Nachtdienst fertig. Seit Jahjen ging sie Abend für Abend Punkt sieberi Uhr fort und kam erst am anderen Morgen zurück. Dazwischen lag die lange einsame Nacht. Die erste Zeit war alles noch gut gegangen. Eva schlief ein, wenn die Mutter fortging, und wachte erst auf, wenn die Mutter schon wieder neben ihr lag, bleich und erschöpft von der eintönigen Fabrikarbeit. Dann aber kamen die schweren Tráume. Eva fuhr mitten in der Nacht aus dem Schlaf empor, angstvoll, schweiBbedeckt. Der verschwimmende Schatten des schmalen Fensters lag wie ein groBes böses Auge auf ihr. Es war ein qualliges Auge, das nackt zwischen spárlichen Wimpern stand. Es gehörte dem Mann, den sie kürzlich bei Rita Meyer getroffen hatte. Sie war gerade noch zurechtgekommen, um zu sehen, wie er Rita mit FuBtritten vor sich her ins Autó drángte. Dann kam er zu ihr zurück: "Und du?" Sein Auge sah aus, als ob es überliefe. Eva dachte nur an die Mutter. Sie preBte den Zettel für Rita fest in die Handfláche.
"Ich spiele hier mit Ruth", sagte sie harmlos. "Spielen? Hier hat es sich ausgespielt!"
Er drehte Evas Kopf herum. Jetzt erst sah sie, daB auch Ruth in dem Autó saB. Das Autó fuhr ab, aber der Mann lieB ihren Kopf erst los, als er die Hand brauchte, um ihre Finger auseinanderzubiegen: "Nun zeig mai her, was du da hast". Auf dem Zettel stand die Adresse für Rita.
"Das ist unser Kindergarten", sagte Eva rasch, wie es ihr die Mutter ein-gescharft hatte. Das Auge deckte sich eine Minute lang zu. Es schien zu frieren, genau wie Eva. Sie zitterte vor Kálte trotz der Sommerwárme. Unverwandt starrte sie auf das warm gebettete Auge. Doch als das wieder bloB lag, sah es aus wie Eis. Eva fühlte sich derb an der Schulter gepackt:
"Diesen Kindergarten zeigstdu mir mai!"
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In der DDR sind Elfriede Brünings Bücher in Millionen-Auflage erschienen - alleine „ damit Du weiterlebst" in über 150000 Exemplaren.
Hierzulande ist sie fast unbekannt. Zu unrecht - wie wir meinen. Besonders der Román über den antifaschistischen Wider-stand in Nazi-Deutschland „ damit Du weiterlebst" ist ein spannend und ergrei-fend geschriebenes Zeit-Dokument. Die Geschichte von Hans und Hilde Coppi, die der Widerstandsgruppe Schulze-Harnack-Boysen, von den Nazis „Rote Kapelle" genannt, angehören, steht im Mittelpunkt des Romans. Parallel dazu wird über das Schicksal der Jüdin Lőtte Burkhardt und ihrerTochter Eva berichtet. Lebendig beschreibt die Autorin die Zeit des 3. Reiches im politi-schen wie im persönlichen Leben. Auf furchtbare Weise wird anhand der ein-fühlsamen Schreibweise Elfriede Brünings die Bestialitát des Faschismus deutlich, wenn sie bestimmte Situationen aus der Sicht der 10-jáhrigen Eva Burkhardt schil-dert, die schlieGlich dem furchtbaren Druck nicht mehr gewachsen ist und sich das Leben nimmt.
Vieles ist authentischer in „ damit Du weiterlebst", so auch die Perversion der Nationalsozialisten, Hilde Coppi solange leben zu lassen, wie sie ihr im Gefángnis zur Welt gekommenes Kind stillen konnte. Elfriede Brüning hat intensiv recherchiert, den erschütternden Briefwechsel des Ehe-paares Coppi zum Teil wiedergegeben, und mit überlebenden Freunden und Ver-wandten gesprochen.
Herausgekommen ist ein spannender Román, der angesichts der in letzter Zeit verstárkt aufkommenden Neo-Nazi-ldeolo-gie neue widerliche Aktualitát gewinnt. Packend erzáhlt und besonders auch für junge Menschen geschrieben, die sich nicht ausschlieBlich dokumentarisch, sondern auch literarisch dem Phánomen Faschismus náhern wollen.
Vissza