Doktor Faustus

Fülszöveg

T."

Ich habe eben Ihren gewaltigen „Doktor Faustus" beendet, und es drängt mich, Ihnen zu sagen, daß er mich auf das tiefste erschüttert hat. WiAung und Einfluß dieses unvergeßlichen Meisterwerlces sind gar nicht absehbar. Ich hoffe sehr, daß bald auch die Deutschen Ihren Roman lesen werden. Denn dieser großartige Rechenschaftsbericht ist das, was sie brauchen.
Als Musiker bin ich besonders entzückt, wie Sie das Musikalische gemeistert haben. Selbst die esoterischen Küchengeheimnisse der 12-Ton-Tech-nik fehlen nicht. Aber es ist nicht nur die Einsicht in die Theorie der Kompositionstechnik und in die gesellschaftliche Lage der Musik mit ihren Widersprüchen, sondern auch die Art, wie Sie sich Musikstücke gewissermaßen austräumen, die mich besonders ergriffen hat. Wir Musiker haben alle Ursache, neidisch zu sein, wenn wir die Beschreibungen der gewaltigen Oratorien des Adrian Leverkühn lesend hören. Die Naturbeobachtungen des Vaters Leverkühn, die so merkwürdig im Gespräch... Tovább

Fülszöveg

T."

Ich habe eben Ihren gewaltigen „Doktor Faustus" beendet, und es drängt mich, Ihnen zu sagen, daß er mich auf das tiefste erschüttert hat. WiAung und Einfluß dieses unvergeßlichen Meisterwerlces sind gar nicht absehbar. Ich hoffe sehr, daß bald auch die Deutschen Ihren Roman lesen werden. Denn dieser großartige Rechenschaftsbericht ist das, was sie brauchen.
Als Musiker bin ich besonders entzückt, wie Sie das Musikalische gemeistert haben. Selbst die esoterischen Küchengeheimnisse der 12-Ton-Tech-nik fehlen nicht. Aber es ist nicht nur die Einsicht in die Theorie der Kompositionstechnik und in die gesellschaftliche Lage der Musik mit ihren Widersprüchen, sondern auch die Art, wie Sie sich Musikstücke gewissermaßen austräumen, die mich besonders ergriffen hat. Wir Musiker haben alle Ursache, neidisch zu sein, wenn wir die Beschreibungen der gewaltigen Oratorien des Adrian Leverkühn lesend hören. Die Naturbeobachtungen des Vaters Leverkühn, die so merkwürdig im Gespräch Leverkühns mit dem Teufel wieder auftauchen und schließlich im Wahnsinnsausbruch eine unheimliche Bedeutung bekommen, ist das Seltsamste und Originellste, das ich
jemals gelesen habe. Die merl<würdi-gen Studenten-Episoden in Halle, die Darstellung der Münchner Akademikerkreise, das Capriccioso des jüdisch-französischen Managers und die außerordentliche Beschreibung des Kindes sind von einem erstaunlichen Reichtum.
Aber es sind darin auch politische Formulierungen von einer Kühnheit und Einsicht in die geschichtlichen Schwächen der Deutschen, wie man sie nur noch bei Marx findet. Es ist besonders scharf formuUert, wo Sie von der falschen Einigung Deutschlands sprechen, falsch geeinigt in drei großen Kriegen gegen den „äußeren Feind". „Wenn das deutsche Volk eine höhere Gesellschaftsform erreichen will, und wenn schon Blut vergossen werden muß, da das bei uns nun einmal so Sitte zu sein scheint, dann kann es nur durch den Bürgerkrieg sich erheben." Das ist eine wahrhaft klassische Formu-a lierung. '
Daß es Ihnen gelingen konnte, so schwierige Themen von unheimlicher Kompliziertheit so rein, klar und. großartig zu gestalten, ist unfaßbar. Es ist ein Löwenwurf, und wir können uns nur alle beglückwünschen, daß wir so etwas haben.
Hanns Eis/er Vissza