Fülszöveg
Georg Lukács schrieb »Die Theorie des Romans« 1914/15 — zur gleichen Zeit, als Rosa Luxemburg ihre Spartakusbriefe, Lenin in Zürich sein Imperialismusbuch, Spengler den »Untergang des Abendlandes«, Ernst Bloch seinen »Geist der Utopie« verfaßte. Es ist das letzte große Werk, das Lukács vor seiner Wendung zum Marxismus schuf. Als es 1920 in Berlin erschien, war sein Verfasser schon aus Ungarn geflüchtet: waren die Tage der Regierung Béla Kun — der er als Kultusminister angehörte — bereits gezählt. Dieses schmale Buch hat den Ruhm seines Autors begründet. Es ist »ein Werk des Übergangs, seinem Gegenstand gemäß noch dem bürgerlichen Ästhetizismus der Heidelberger Jahre verhaftet, doch in seiner Thetik schon härter, schroffer und das Ziel des künftigen methodischen Wegs scharf ins Visier nehmend. Hier findet sich der Ansatz zu einer großangelegten, spekulativ weitergeführten Überlegung, der wenig Gleichwertiges an die Seite gestellt werden kann« (Horst Althaus). Von den späteren...
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Georg Lukács schrieb »Die Theorie des Romans« 1914/15 — zur gleichen Zeit, als Rosa Luxemburg ihre Spartakusbriefe, Lenin in Zürich sein Imperialismusbuch, Spengler den »Untergang des Abendlandes«, Ernst Bloch seinen »Geist der Utopie« verfaßte. Es ist das letzte große Werk, das Lukács vor seiner Wendung zum Marxismus schuf. Als es 1920 in Berlin erschien, war sein Verfasser schon aus Ungarn geflüchtet: waren die Tage der Regierung Béla Kun — der er als Kultusminister angehörte — bereits gezählt. Dieses schmale Buch hat den Ruhm seines Autors begründet. Es ist »ein Werk des Übergangs, seinem Gegenstand gemäß noch dem bürgerlichen Ästhetizismus der Heidelberger Jahre verhaftet, doch in seiner Thetik schon härter, schroffer und das Ziel des künftigen methodischen Wegs scharf ins Visier nehmend. Hier findet sich der Ansatz zu einer großangelegten, spekulativ weitergeführten Überlegung, der wenig Gleichwertiges an die Seite gestellt werden kann« (Horst Althaus). Von den späteren Werken hat nur »Geschichte und Klassenbewußtsein« dieselbe internationale Berühmtheit erlangt.
»Die Theorie des Romans« bezeichnet den Ubergang des ungarischen Philosophen von Kant zu Hegel; Anregungen von Bloch, Simmel, Dilthey, Kassner, M. Weber und Bergson sind spürbar. Max Dvoíák hielt das Buch für die bedeutendste Publikation der ganzen geisteswissenschaftlichen Richtung. Umgekehrt empfingen Max Weber, Thomas Mann, Ernst Bloch, Benedetto Croce, Walter Benjamin, Th.W.Adorno, Paul Honigsheim, Lucien Goldmann u. a. daraus nachhaltige Eindrücke. In der Tat nimmt dieses frühe Werk die expressionistischen, utopischen und kulturkritischen Strömungen der zwanziger und dreißiger Jahre begründend vorweg. So scheinen z. B. die Analysen des Zeitproblems direkt auf Proust und Joyce zu zielen, deren gleichzeitig entstandene Hauptwerke aber erst später erschienen.
Der Verfasser steht seinem Buch seit seinem Übergang zum Marxismus kritisch gegenüber. Die Gründe, warum er das Werk erst nach über 40 Jahren wieder erscheinen läßt, erklärt Lukács im neuen Vorwort.
Hermann Luchterhand Verlag
Vissza