Fülszöveg
Was hier auf gut vierhundert Seiten folgt, ist eine kráftigeliterarische Kost, ein Werk, das seit Jahrhunderten in den Giftschránken weniger Bibliotheken streng behütet lagerte und ansonsten nur in bibliophilen Ausgaben einem handverlesenen Publikum zugánglich war. Der dieses >verruchte< Buch geschrieben hat, war eine der schillerndsten politischen und literarischen Persönlichkeiten, die das ausgehende Renaissancezeitalter hervorgebracht hat: der Dichter, Kritiker und Gelegenheitsdiplomat Pietro Aretino (1492-1556). Er, dendieZeitgenossen >il divino<,>den Göttlichen<,nannten und den die Grófién der Zeit aus Angst vor seiner spitzen Feder umschmeichelten, hat mit seinen >Ragionamenti< ein Werk geschaffen, das die besten literarischen Traditionen der Antiké in sexualibus fortgeführt hat. >Da sehen wir das Rom von 1530. Der römische Monsignor und Kavalier, der Bettler und der Wu~ cherer, der Lakai, der Handwerker und der Zuführer - sie alle habén mit der Kurtisane Nanna zu tun. Die...
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Was hier auf gut vierhundert Seiten folgt, ist eine kráftigeliterarische Kost, ein Werk, das seit Jahrhunderten in den Giftschránken weniger Bibliotheken streng behütet lagerte und ansonsten nur in bibliophilen Ausgaben einem handverlesenen Publikum zugánglich war. Der dieses >verruchte< Buch geschrieben hat, war eine der schillerndsten politischen und literarischen Persönlichkeiten, die das ausgehende Renaissancezeitalter hervorgebracht hat: der Dichter, Kritiker und Gelegenheitsdiplomat Pietro Aretino (1492-1556). Er, dendieZeitgenossen >il divino<,>den Göttlichen<,nannten und den die Grófién der Zeit aus Angst vor seiner spitzen Feder umschmeichelten, hat mit seinen >Ragionamenti< ein Werk geschaffen, das die besten literarischen Traditionen der Antiké in sexualibus fortgeführt hat. >Da sehen wir das Rom von 1530. Der römische Monsignor und Kavalier, der Bettler und der Wu~ cherer, der Lakai, der Handwerker und der Zuführer - sie alle habén mit der Kurtisane Nanna zu tun. Die grofie Völkerstrafie scheint durch Nannas Haus zu führen. Nicht nur die Römer, auch die anderen italienischen Grofistádter jener Zeit, Venezianer und Mai-
lánder, Sienesen und Florentiner, Genueser und Neapolitaner, bewegen sich um sie herum, und nicht blofi Italiener - auch Franzosen, Deutsche, Spanier. Nannas Haus ist der Mittelpunkt von Európa. Alle Wege führen nach Rom, und in Rom führt jeder Weg zur Unzucht.< Gerade dieser Aspekt ist bei der Beurteilung des Autors und seines Werkesimmerübersehenworden,denn bei aller fröhlichen Drastik, bei aller Detailtreue, mit der in diesen dialogischen Erzahlungen das Liebemachen in seinen Variationen dargestellt ist, wird doch eine handfeste Zeitkritik betrieben. Personen jeglichen Standes und jeglicher Nation, die da mit mehr oder weniger beweglichen Lenden, lachend und fluchend, weinend und grinsend, f eilschend und renommierend durch die Betten marschieren, sie alle habén Aretinos Hohn und höllisches Gelachter einzustecken. Und dafi dieses Geláchter Leser aller Zeiten immerwieder ansteckt, dafür sorgt ein Feuerwerk an erotischer Metaphorik, das da bunt durch das Buch flimmert und das von Heinrich Conrad kongenial in unsere an einschlagigem Vokabular so arme Sprache übersetzt worden ist.
Vissza