Fülszöveg
Taschenbibliothek derWeltliteratur
Als wir kleine Kinder waren, die noch nicht lange lesen gelernt hatten, da besaßen wir, wie alle Kinder, ein schönes Lieblingsbuch, das hieß „Andersens Märchen", und sooft wir es gelesen hatten, wir nahmen es immer wieder vor, und es hat uns treulich bis ans Ende der Knabenjahre und der lieben Kindheit begleitet mit seinen Schätzen und Feen, Königen und reichen Kaufleuten, armen Bettelkindern und kühnen Glückssuchern
Und wenn ich irgendwie dem alten Andersen wieder begegne, will ich nicht nur den Hut abnehmen, sondern mich auch in dankbarer Verehrung näher um ihn' erkundigen; denn er ist ein merkwürdiger, einfacher und reiner Mensch gewesen, wie mir
scheint. Das wenige, was man
.
I
erfährt, stimmt zu dem Märchenmann vortrefflich. In Armut aufgewachsen, früh begönnert und abhängig, reiselustig, ehrgeizig, aber immer so wie der ausziehende Sohn im Märchen, endlich berühmt und wohlhabend, aber nie in Wärme und Fülle, sondern immer im...
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Fülszöveg
Taschenbibliothek derWeltliteratur
Als wir kleine Kinder waren, die noch nicht lange lesen gelernt hatten, da besaßen wir, wie alle Kinder, ein schönes Lieblingsbuch, das hieß „Andersens Märchen", und sooft wir es gelesen hatten, wir nahmen es immer wieder vor, und es hat uns treulich bis ans Ende der Knabenjahre und der lieben Kindheit begleitet mit seinen Schätzen und Feen, Königen und reichen Kaufleuten, armen Bettelkindern und kühnen Glückssuchern
Und wenn ich irgendwie dem alten Andersen wieder begegne, will ich nicht nur den Hut abnehmen, sondern mich auch in dankbarer Verehrung näher um ihn' erkundigen; denn er ist ein merkwürdiger, einfacher und reiner Mensch gewesen, wie mir
scheint. Das wenige, was man
.
I
erfährt, stimmt zu dem Märchenmann vortrefflich. In Armut aufgewachsen, früh begönnert und abhängig, reiselustig, ehrgeizig, aber immer so wie der ausziehende Sohn im Märchen, endlich berühmt und wohlhabend, aber nie in Wärme und Fülle, sondern immer im Herzen darbend, in jeder Liebe unglücklich - so hat der seltene Mann gelebt. Und er war so sehr Kind, daß er in seiner Enttäuschung und Einsamkeit sich zu den Kleinen setzte und Mär-» chen für sie ausdachte, und schließlich sind von ihm, der seinen Ruhm zumeist anderen Werken verdankte, eigentlich nur diese Märchen übriggeblieben, denn sie haben die Art der unvergänglichen Dinge.
Hermann Hesse (1910)
Vissza