Fülszöveg
Das im vorigen Jahr (1958) die Weh erfüllende erregte Sprechen über die Atombombe ist fast erloschen. Aber die Sache selbst und die ungeheure Gefahr sind unverändert. Darüber dürfen weder Versuchsstop noch etwaige partikulare Abrüstung täuschen. Beide sind höchst wünschenswert; denn es wird Zeit gewonnen, um die innere Umkehr zu finden, der erst das rechte Handeln entspringt. In der Tat ist bisher gar kein Anlaß zur Beruhigung. Im Gegenteil. Durch die Welt geht-eine Tendenz, sich zu täuschen. Die einen halten das Gegenwärtige (die Wirtschaftsblüte und den Frieden), da es ihnen trotz aller Bekuridung inneren Ungenügens und trotz all ihren Scheltens über äußere Erscheinungen gefällt, unwillkürlich für dauernd. Die anderen, denen die auf einen Bruchteil der Menschheit beschränkte Wirtschaftsblüte und der Friede nicht gefällt (expansive Totalitäre und die in Asien und Afrika unterentwickelten Völkermassen), wenden sich mit blinder Wut gewaltsam dagegen, bald hier, bald dort auf der...
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Fülszöveg
Das im vorigen Jahr (1958) die Weh erfüllende erregte Sprechen über die Atombombe ist fast erloschen. Aber die Sache selbst und die ungeheure Gefahr sind unverändert. Darüber dürfen weder Versuchsstop noch etwaige partikulare Abrüstung täuschen. Beide sind höchst wünschenswert; denn es wird Zeit gewonnen, um die innere Umkehr zu finden, der erst das rechte Handeln entspringt. In der Tat ist bisher gar kein Anlaß zur Beruhigung. Im Gegenteil. Durch die Welt geht-eine Tendenz, sich zu täuschen. Die einen halten das Gegenwärtige (die Wirtschaftsblüte und den Frieden), da es ihnen trotz aller Bekuridung inneren Ungenügens und trotz all ihren Scheltens über äußere Erscheinungen gefällt, unwillkürlich für dauernd. Die anderen, denen die auf einen Bruchteil der Menschheit beschränkte Wirtschaftsblüte und der Friede nicht gefällt (expansive Totalitäre und die in Asien und Afrika unterentwickelten Völkermassen), wenden sich mit blinder Wut gewaltsam dagegen, bald hier, bald dort auf der Erde. Die Beruhigung kann zum Verderben werden, wenn sie zum Vergessen des Getanen und zur Verschleierung des Wirklichen führt. Sie wird unsere Freiheit in ihrer korrupten Verkehrung vernichten, wenn diese Freiheit selber nicht wahrhaftig wird.
karl jaspers im vorwort zu dieser sonderausgabe
Jaspers'Buch über die Atombombe, im Frühsommer 1958 in der Originalausgabe erschienen, hat in einem Jahr die Auflage von 24 000 Exemplaren erreicht. Der Vorschlag des Verlags, nunmehr eine Studienausgabe vorzulegen, deren Preis das Werk jedermann zugänglich macht, erhielt die spontane Zustimmung des Autors. Er und der Verleger - beide überzeugt davon, daß in unserer Zeit mehr denn je gute Politik Erziehung voraussetzt: Selbsterziehung, die erst zum vernünftigen Handeln führt - hoffen und wünschen, daß die vorliegende Sonderausgabe 1960 viele neue Leser findet. Jaspers sagt in der Einleitung zu diesem Buch: »Vor der Drohung totaler Vernichtung sind wir zur Besinnung auf den Sinn unseres Daseins zurückgewiesen. Die Möglichkeit der totalen Zerstörung fordert unsere ganze innere Wirklichkeit heraus. Als ein besonderes Problem kann die Atombombe nicht genügend erfaßt werden. Nur wenn der Mensch als er selbst auf die in seine Hand gegebene Möglichkeit antwortet, kann er ihr gewachsen sein. Wenn er die Sache nur als Schwierigkeit unter anderen behandelt, wird er ihrer nicht Herr werden. Daher ist die Absicht dieser Schrift, nach Kräften alle Fragehorizonte angesichts der Bombe zu durchschreiten. Sie möchte mit dem Gesagten über das Gesagte hinaus fühlbar machen, worauf es eigentlich ankommt. Der Leser soll veranlaßt werden, bewußter wiederzuerkennen, was er schon weiß, es zu prüfen und vielleicht deutlicher werden zu lassen, als es dem Verfasser gelungen ist.«
R.PIPER & CO VERLAG
»Es ist, als habe der Philosoph angesichts des durch die Atombombe geschaffenen ,neuen Tatbestandes' und des ,möglichen, ja wahrscheinlichen Weltendes' — so formuliert er die Aussichten der Gegenwart — noch einmal alle in einem langen, dem Philosophieren gewidmeten Gelehrtenleben zur Klarheit gebrachte Weisheit aufgeboten, um die Menschheit von der breiten Straße, die zum Verderben führt, auf den schmalen Weg zu bringen, der die Möglichkeit des Fortlebens ist. Jaspers nennt das Rettende Ver-nunfl. Die Vernunft ist gefordert, weil sie die Macht ist, die den Verstand in Bewegung gesetzt hat, der in der Folge die technischen Mittel des Untergangs gleicherweise wie auch die des möglichen Aufbaus bereitstellt.«
neue zürcher zeitung
»Jaspers hat vor allem eines dringlich zu demonstrieren vermocht: Das Atomproblem muß unbedingt aus der ausschließlichen Kompetenz von spezialisierten Ressort-Inhabern ins allgemeine Bewußtsein getragen werden. Es muß eine heilsame Angst geweckt werden, die jedoch nicht in Lethargie und Panik führt, sondern zur Verantwortlichkeit aller. Vernünftige Besinnung ist zwar nicht schon die fundamentale Wandlung des Menschen, ohne die es keine Lösung geben wird, — aber sie kann als einzige Chance nach Jaspers' Buch nicht länger unterdrückt werden.«
soddeutscher rundfunk
R. PIPER & CO VERLAG
Vissza