Fülszöveg
Es geht durchaus nicht sanft zu bei Dieter Noll. Doch man spürt, daß er sich von seinem früheren Ich so weit entfernt hat, daß er imstande ist, es zu betrachten und mit allen Konflikten darzustellen. Diese Entfernung hat mit zeitlichem oder räumlichem „Abstand" nichts zu tun. Sie ist eine innerliche und schwere Arbeit. Sie ist vielleicht eine der wichtigsten Fähigkeiten des Künstlers. Nur wer sie besitzt, kann spürbar machen, wohin die Perspektive geht, wo die Lösung liegen wird durch alle Widersprüche hindurch. Je härter ein Konflikt ist, desto größere Fähigkeiten verlangt er vom Autor, um die Perspektive zu zeigen
In Nolls Buch sind die Menschen am Verzweifeln. Die Hauptperson weiß nie mehr, als sie damals hat wissen können. Aber der Autor selbst, der sich der Ursachen und der Folgen des Krieges bewußt ist, macht den Lesern die Richtung frei zum Denken und Handeln.
Ich glaube, daß es Noll gelang, in seinem Roman seine Überzeugung, seinen Standpunkt, die Perspektive nicht...
Tovább
Fülszöveg
Es geht durchaus nicht sanft zu bei Dieter Noll. Doch man spürt, daß er sich von seinem früheren Ich so weit entfernt hat, daß er imstande ist, es zu betrachten und mit allen Konflikten darzustellen. Diese Entfernung hat mit zeitlichem oder räumlichem „Abstand" nichts zu tun. Sie ist eine innerliche und schwere Arbeit. Sie ist vielleicht eine der wichtigsten Fähigkeiten des Künstlers. Nur wer sie besitzt, kann spürbar machen, wohin die Perspektive geht, wo die Lösung liegen wird durch alle Widersprüche hindurch. Je härter ein Konflikt ist, desto größere Fähigkeiten verlangt er vom Autor, um die Perspektive zu zeigen
In Nolls Buch sind die Menschen am Verzweifeln. Die Hauptperson weiß nie mehr, als sie damals hat wissen können. Aber der Autor selbst, der sich der Ursachen und der Folgen des Krieges bewußt ist, macht den Lesern die Richtung frei zum Denken und Handeln.
Ich glaube, daß es Noll gelang, in seinem Roman seine Überzeugung, seinen Standpunkt, die Perspektive nicht von außen hereinzutragen, sondern durch die Schicksale, die er darstellt, dem Leser klarzumachen.
Anna Seghers
V. Deutscher Schriftstellerkongreß 25. Mai 1961
Noll schildert alle Schrecken des Krieges. „Durch sieben Höllen" führt er seine Helden. Aber niemals verselbständigt sich das Grauen, niemals verliert Noll Holts Entwicklung aus den Augen und niemals jenen Faden, der Holt einmal aus diesem Labyrinth herausführt: Immer ist Holt ein Suchender, in dem das in Jahrhunderten entwickelte Gefühl der Menschlichkeit lebendig bleibt. Es ist noch nicht Bewußtsein, was ihn treibt. Das Denken hat die Verpflichtung zur Unmenschlichkeit aufgezwungen bekommen; es ist Instinkt, der aber unablässig zur Reflexion drängt. Und zur Tat Mit Anteilnahme, ja mit Ergriffenheit, habe ich Nolls Roman gelesen. Beim Wieder- und beim Wiederlesen blieb der Respekt für seine Leistung bestehen. Ein überzeugendes Bild der Zeit hat Noll entworfen, Menschen voll Leben hat er geschaffen. Soweit es für sein Thema möglich war, hat er das Wirken der Kräfte gezeigt, die zu Faschismus und Krieg hinführten. Er hat den Widerstand und die Gewißheit eines andren, des einen Weges in sehr verschiedenen Gestalten verkörpert, und gerade hierin besteht Nolls Stärke gegenüber allen anderen Kriegsbuch-Schreibern.
Eva Strittmatter „Neue Deutsche Literatur" Januar 1961
Vissza