Fülszöveg
Eugen Henderson, der Held und Ich-Erzähler dieses tragikomischen und sich in brillanten Einfällen überstürzenden Romans, befindet sich in einem Dilemma, das schwer zu lösen ist. Mit allen irdischen Gütern gesegnet, verheiratet mit einer hübschen Frau, Vater einer erklecklichen Zahl von Kindern, hat er sich vom Menschen entfernt und dürstet nach einem sinnvollen Leben. »Als ich aus dem Krieg zurückkehrte«, so bekennt er, »hatte ich vor, Schweinezüchter zu werden, und das veranschaulicht, was ich vom Leben im allgemeinen hielt.« Wie alles, was der robuste Millionär anpackt, gedeiht ihm auch die Schweinezucht, auf die er sich genauso vehement stürzt wie auf das Geigenspiel. Doch weder die einträgliche Viehzucht noch das Spiel auf einem Instrument, das in seinen riesigen Händen zerbrechlich wirkt, befriedigt ihn. Henderson beginnt, gegen seine mit pragmatischen Vorstellungen belastete Umwelt und gegen seine Gewohnheiten, Vorurteile, gegen die eigene Seele zu randalieren. Diesem...
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Fülszöveg
Eugen Henderson, der Held und Ich-Erzähler dieses tragikomischen und sich in brillanten Einfällen überstürzenden Romans, befindet sich in einem Dilemma, das schwer zu lösen ist. Mit allen irdischen Gütern gesegnet, verheiratet mit einer hübschen Frau, Vater einer erklecklichen Zahl von Kindern, hat er sich vom Menschen entfernt und dürstet nach einem sinnvollen Leben. »Als ich aus dem Krieg zurückkehrte«, so bekennt er, »hatte ich vor, Schweinezüchter zu werden, und das veranschaulicht, was ich vom Leben im allgemeinen hielt.« Wie alles, was der robuste Millionär anpackt, gedeiht ihm auch die Schweinezucht, auf die er sich genauso vehement stürzt wie auf das Geigenspiel. Doch weder die einträgliche Viehzucht noch das Spiel auf einem Instrument, das in seinen riesigen Händen zerbrechlich wirkt, befriedigt ihn. Henderson beginnt, gegen seine mit pragmatischen Vorstellungen belastete Umwelt und gegen seine Gewohnheiten, Vorurteile, gegen die eigene Seele zu randalieren. Diesem heillosen Durcheinander ist er auf die Dauer nicht gewachsen. Sein gequälter Schrei »Ich darbe!« wird immer drängender, seine Sehnsucht wird zum alles beherrschenden Element, das leitmotivartig auch durch dieses Buch zieht. Der Lebensüberdruß, der Ekel vor dem amerikanischen Alltag treibt ihn nach Afrika, das bei Bellow keine reale Welt ist, vielmehr eine Art imaginärer pädagogischer Provinz, welcher der anthropologisch geschulte Autor einige realistische Züge verleiht. Ihre Funktion im Roman ist die eines Zauberberges, wo der Held neuen Eindrücken ausgesetzt wird und eine Wandlung erfährt. Beim friedlichen Arnewi-Stamm versagt Henderson und treibt ihn ungewollt in noch tieferes Elend. Bei den Wariri findet er in dem jungen König Dahfu einen Freund, der ihn mit fast burlesk zu nennenden Mitteln zu sich selber zurückführt. Hendersons erste konstruktive Tat im Leben ist die Teilnahme an den rituellen Feierlichkeiten, die den Regen herbeizaubern sollen. Er bewegt die zentnerschwere Statue der Regengöttin und wird zum Sungo, zum Regenkönig, ernannt. Und dann schließt er Freundschaft mit Dahfus Löwin; denn er soll, wie sein hochgebildeter Berater ironisch erklärt, erst über das Tierische das Menschliche neu entdecken. Dahfus kuriose pädagogische Bemühungen sind erfolgreich, Henderson kehrt mit dem festen Entschluß nach Amerika zurück, ein tätiges Leben zu führen und Medizin zu studieren. In seiner Begleitung befinden sich ein Löwenbaby und ein persischer Waisenjunge. Auf einem schneeverwehten Flugplatz des amerikanischen Kontinents hält der hünenhafte Mann das Kind auf dem Arm und läuft, trunken vor Glück, durch den Schnee. Bellows anspruchsvolles Buch vereint Elemente des Schelmenromans, des Entwicklungsromans und des Reiseromans. Die Prosa strotzt vor Ironie, Parodie, Witz und bizarren Gedanken, sie ist durchdrungen von philosophischen Erörterungen, eigenwilligen Symbolen und schwierigen Metaphern, die der literarischen Darstellung einer für den heutigen Amerikaner entscheidenden Problematik untergeordnet sind: der Suche nach dem Sinn des Lebens. Die individualistische Spiegelung amerikanischer Gegenwart durch das Bewußtsein einer Romangestalt entlernt sich nur scheinbar von der Wirklichkeit, wenngleich die Einengung des Blickfeldes bei Bellow genau wie bei anderen modernen amerikanischen Autoren deutlich wird. Trotz der
Verschlüsselung, der auch die weitverzweigte Symbolik dient, kommt die humanistische Aussage stark und überzeugend zur Geltung. Bellow geht es letztlich um die Situation des Menschen in der modernen bürgerlichen Gesellschaft. Wenn die mit den Zügen des Anti-Helden ausgestattete Zentralgestalt am Ende ihres Weges feststellt: »Ich bin jetzt in dem Alter, in dem ich menschliche Stimmen und menschliche Intelligenz brauche. Das ist das einzige, was einem noch bleibt. Güte und Liebe«, so wird damit unterstrichen, daß seine Suche nach außen und nicht nach innen gerichtet ist. Hendersons Schlaf ist gesprengt, er ist zu sich selber gekommen und wird zu den »anderen« finden. »Der Dialog«, so schrieb der Erzähler Bellow, »nicht der Monolog ist die Grundlage des zivilisierten Lebens.« Diese entscheidende Erkenntnis liegt nicht nur dem Buch über Eugen Henderson zugrunde, sondern auch den anderen Prosawerken Bellows. Von diesem bedeutenden Romancier der amerikanischen Gegenwartsliteratur als literarische Monologe formuliert, sind sie ein Weg vom Monolog zum Gespräch.
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Saul Bellow, 1915 in Lachine, Kanada, als Sohn russischer Einwanderer geboren, lebt seit 1924 in Chikago. Er studierte Anthropologie, Soziologie, Literaturwissenschaften an der Universität von Chikago und an der Northwestern University. Er war als Lehrer, Hochschuldozent und Professor tätig. 1944 erschien sein erster Roman, »Mann in der Schwebe«. Es folgten die Romane »Das Opfer« (1947), »Die Abenteuer des Augie March« (1953, National Book Award), »Der Regenkönig« (1959), »Herzog« (1964, National Book Award, Internationaler Literaturpreis) und »Mr. Sammlers Planet« (1970, National Book Award), die Erzählung »Das Geschäft des Lebens« (1956) iind die Kurzgeschichtensammlung »Mosbys Memoiren« (1968). Außerdem verfaßte Saul Bellow Stücke (»Die letzte Analyse«, UA 1964, 1965; die Einakter »Das Mal«, »Orangensouffle«, »Von unten hervor« und »Die rettenden Trümmer«) und Essays.
9,20
Vissza