Fülszöveg
Sidney Finkelstein, bedeutender amerikanischer
Kunstkritiker, legt hier eine Arbeit über die frühen
Jahre im Werk Picassos vor, über die Epochen, die
hinlänglich bekannt sind als die „Blaue" und die
„Rosa" Periode. Ausdrucks- und Betrachtungsweise
des Autors, seine Anschauungen, die er zu diesem
Thema niederschrieb, lassen sich am besten in zwei
charakteristischen Textproben wiedergeben:
„Der Stil von Picassos ,Blauer' Periode schafft eine
,Bildwelt', eine Welt des Gedankens, aber ohne das
Dekorative des Art Nouveau und ohne den spät-
romantischen Subjektivismus, dessen Symbole eine
völlig private psychologische Enttäuschung und
Qual zum Ausdruck bringen Es ist auch kein
anarchistischer Individualismus. Vielmehr schließt
diese ,Bildwelt' die Fähigkeit ein, aus sich selber
hinauszugehen und Symbole des realen Lebens und
Leidens einer großen Masse des spanischen Volkes
zu schaffen. Er bringt nicht eine private Misere,
sondern eine gesellschaftliche Trauer, eine...
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Fülszöveg
Sidney Finkelstein, bedeutender amerikanischer
Kunstkritiker, legt hier eine Arbeit über die frühen
Jahre im Werk Picassos vor, über die Epochen, die
hinlänglich bekannt sind als die „Blaue" und die
„Rosa" Periode. Ausdrucks- und Betrachtungsweise
des Autors, seine Anschauungen, die er zu diesem
Thema niederschrieb, lassen sich am besten in zwei
charakteristischen Textproben wiedergeben:
„Der Stil von Picassos ,Blauer' Periode schafft eine
,Bildwelt', eine Welt des Gedankens, aber ohne das
Dekorative des Art Nouveau und ohne den spät-
romantischen Subjektivismus, dessen Symbole eine
völlig private psychologische Enttäuschung und
Qual zum Ausdruck bringen Es ist auch kein
anarchistischer Individualismus. Vielmehr schließt
diese ,Bildwelt' die Fähigkeit ein, aus sich selber
hinauszugehen und Symbole des realen Lebens und
Leidens einer großen Masse des spanischen Volkes
zu schaffen. Er bringt nicht eine private Misere,
sondern eine gesellschaftliche Trauer, eine Identi-
fizierung mit den Menschen zum Ausdruck, deren
Leiden er so tief mitempfindet und die er in seinem
Werk typisiert. Diese Eigenschaft gibt der ,Blauen'
Periode ihren kühnen neuen Charakter, wie er sich
bei keinem anderen Künstler der Zeit findet, und
macht sie zu einer künstlerischen Hauptleistung in
den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts. In seiner
Identifizierung mit den Armen und Ausgebeuteten
sieht er keine unmittelbare Hilfe, keinen klaren Weg
zum Fortschritt. Und doch schafft er keine Kunst
der Verzweiflung. Es ist eine Stufe auf dem Wege,
der ihn vierzig Jahre später, nach zwei Weltkriegen
und den Schrecken des Faschismus, dazu führte,
Kommunist zu werden . . .
Was er in der ,Rosa' Periode zu sagen hat, unter-
scheidet sich vom Denken der ,Blauen' Periode.
Was über die alten Themen zu sagen war, hat er
alles gesagt; er läßt sie fallen und schließt damit ein
Kapitel seines Lebens und seines Werdens ab. Er
hat von den Verhältnissen seines Fleimatlandes in
ergreifendem Ausdruck gesprochen, und er hat
keine Lösung gesehen. Aber nun, da er anderswo
Fuß gefaßt hat und neue Wurzeln ihn ergreifen und
sich in ihm ausbreiten, beginnt er, seine eigene Ent-
wicklung von seiner Jugend an und die Rolle, die
er spielt, zu überprüfen, die Rolle des Künstlers in
einer anscheinend kunstfeindlichen Welt. Flier hat
Picasso wie in der ,Blauen' Periode ,außerhalb der
realen Welt' gemalt, hat er seine eigene Welt ge-
schaffen, und die Probleme, die das reale Leben in
ihm auslöste, kehren als symbolische Figuren wie-
der, die die Verkörperung seines Denkens sind."
Vissza