Előszó
Wf ir alle sind ständig ge-
zwungen, uns mit Proble-
men auseinanderzusetzen,
Stellung zu nehmen, Ur-
teile zu fällen. Wer sich nicht unabläs-
sig Meinungen bildet, lebt orientie-
rungslos in den Tag hinein, begreift
gar nicht, was um ihn vor sich geht.
Sich „eigene" Meinungen zu bilden,
scheint auf den ersten Blick nichts
Besonderes zu sein. Eine Meinung ist
ja zunächst einmal etwas ganz und
gar Unverbindliches, ist ein einfaches
Fürwahrhalten, ein subjektives Urteil.
Aber so ganz einfach ist das mit der
eigenen Meinung auch wieder nicht.
Bei näherem Hinsehen stellt sich
nämlich heraus, daß kaum jemand
wirklich eine „eigene" Meinung hat.
Ansichten über politische, religiöse
oder allgemein menschliche Fragen
sind zumeist nur irgendwo zusam-
mengerafft, völlig gedankenlos über-
nommen und deshalb nicht das Ge-
dankengut derer, die sie äußern.
Es ist vor allem geistige Bequemlich-
keit, die die Menschen daran hindert,
sich wirklich „eigene" Meinungen zu
bilden. Sich zunächst einmal gut zu
informieren, dann das Für und Wider
der Probleme sachlich gegeneinander
abzuwägen.
Zur eigenen Meinung wird eine An-
sicht nur dann, wenn die eigenen
Wertmaßstäbe und Überzeugungen
zum Ausdruck kommen, wenn man
eigenes Fühlen .und Denken mit ein-
bezieht. Sehr vielen Menschen fehlt
es wiederum am Mut, die eigene Mei-
nung zu äußern. Andere wiederum
wollen sich damit hervortun, daß sie
eine „eigene" Meinung haben. Sie
übernehmen dazu die Meinung ande-
rer, die sie gelesen, gehört oder
durch die vielen Medien erhalten ha-
ben, und geben das als eigene Über-
zeugung weiter.
Wenn es auch schwerfällt, immer
eigene und gar noch richtige Meinun-
gen zu haben, so müssen wir uns
doch nach Kräften darum bemühen.
Denn Meinungen sind Urteile, und
meinungslos zu sein, heißt, kein
Urteil haben. Urteilslose aber sind die
willkommenen Opfer von Meinungs-
manipulationen und Indoktrination auf
allen Gebieten.
Wenn ein Mensch so viel Denkfähig-
keit besitzt und bereit ist, über Ge-
schehnisse, über Informationen, die
von außen her auf ihn einwirken,
nachzudenken, den Strom von Infos,
der ohne Unterbrechung täglich auf
ihn eindringt, zu selektieren, in seine
geistige Welt einzuordnen, dann
kommt er nach Prüfung und Überle-
gung dabei zu einer eigenen Mei-
nung. Und wenn er dann diese Mei-
nung auch vertritt, selbst in Fällen, wo
ihm das unter Umständen Nachteile
einbringt - das ist Mut zur eigenen
Meinung.
Wer unentwegt seine Meinung ändert,
mit anderen Worten, sein Mäntelchen
nach dem Wind hängt, nur um sich in
seiner Gruppe, seiner Umgebung,
zum Beispiel am Arbeitsplatz, beliebt
zu machen oder sich Vorteile zu ver-
schaffen, der hat sicherlich keine ei-
gene Meinung. So einen Menschen
bezeichnet man als Opportunisten,
und Opportunisten gibt es leider nur
allzu viele.
Aber sich eine eigene Meinung zu bil-
den, muß nicht gleichbedeutend damit
sein, sie auch ein für allemal hartnäk-
kig oder gar stur zu vertreten. Wir er-
leben immer wieder, daß überall, wo
diskutiert wird, Menschen ihre eige-
nen Meinungen bis aufs Messer ver-
teidigen, nicht selten wider besseres
Wissen, nur um recht zu behalten.
Indem wir uns eigene Meinungen
bilden, suchen und finden wir unseren
geistigen Standort im Leben, entwik-
keln wir Weltbild und Weltanschau-
ung, ohne die ein denkender Mensch
nicht auskommt. Ich habe immer wie-
der festgestellt, daß nur Menschen,
die eigene Meinungen vertreten, auch
sich selbst vertreten können. Und so
läuft mein Appell für den Mut zur ei-
genen Meinung letzten Endes auch
auf den Mut zu sich selbst, zur eige-
nen Individualität hinaus. Nur wer sie
entwickelt, kann im Massenzeitalter
bestehen.
Herzlichst Ihre
Vissza