Bezirk Cottbus

Előszó

Bevor ich mich im Sommer des Jahres 1955 auf den Weg in meine neue Heimat machte, besuchte ich meine Grofieltern. Grófiváter, als Eisenbahner ein weitgereister Mann, sagte mir zum Abschied: »Wenn du uns besuchst, Junge, bringst du mir ein Fláschchen Cottbuser Korn mit!« Grofimutter erinnerte sich, dafi sie irgendwann in ihrem langen Hausfrauenleben mehrere Jahre hintereinander grofie Gláser mit würzigen Gurken aus »irgendwo bei Cottbus« bezogen hatte. Onkel Róbert, der in unserer Familie als Gedáchtnisgenie gilt, kratzte sich die Stirn: »Hab ich nicht mai einen Anzug aus Cottbuser Tuch getragen, Mutter?« Grofimutter konnte sich natürlich nicht erinnern. Sie hatte neun Kinder zur Weit gebracht, und es war wohl ein bifichen zuviel von ihr verlangt, zu wissen, aus welchen StoiTen deren Jacken und Hősen, Kleider und Röcke genáht worden waren. Ich jedenfalls traf, mit den guten Wünschen aller Freunde und Verwandten bedacht und den erwáhnten Kenntnissen des Familienrates ausgerüstet, am Nachmittag des 31. August 1955 in Cottbus ein. Ich liefi meinen Koffer im Hotel »Stadt Bremen« und beschlofi, der Stadt eine Antrittsvisite zu machen. Um ehrlich zu sein: Sie war damals ein bifichen schmalbrüstig und unserer lieben Kreisstadt im Thüringischen gar nicht so unáhnlich. Nur, dafi die kleine Thüringerin nicht diese Narben aus dem Krieg zurückbehalten hatte: 475 vernichtete, fast 2000 beschádigte Háuser, 15 in Schutt und Asche gelegte Betriebe. Die Zahlen kannte ich an jenem Augusttag noch nicht, die Narben jedoch sah ich. Bis es Abend wurde, schlenderte ich durch die Strafien. Ich liefi einen dicken Backsteinturm links Hegen, kam bald an einem Fabrikgebáude vorbei, aus dessen offenen Fenstern das Klappern der Webstühle drang und stand wenig spáter auf einer Brücke, hinter der sich zu beiden Seiten Parkanlagen dehnten. Der Parkweg führte am Flufi entlang. In dem stillen Wasser spiegelten sich die Gaslaternen. Der Duft von Augustrosen erfüllte den ganzen Park. Wenige Schritte spáter tauchte aus der Dámmerung ein Blockhaus auf, geteert und schilfgedeckt. Lange safi ich auf einer Bank am Ufer des Flusses, über den sich nun schon die Dunkelheit gesenkt hatte, und horchte auf die Stimme der Stadt, den klappernden, stampfenden Webereilárm, das Surren und Klingeln der Strafienbahn und das leise und zártliche Flüstern hinter mir auf dem Parkweg. Am Morgen des náchsten Tages las ich in der Zeitung die Schlagzeilen: Staatsakt zu Beginn der Arbeiten am Braunkohlenkombinat Schwarze Pumpe Mit der Kraft der Arbeiterklasse bauen und schützen wir das Kombinát Historischer Tag für die Republik / Grundsteinlegung der sozialistischen Stadt Hoyerswerda Der Grundstein für Kombinát und Stadt war eines jener Fundamente, auf dem - dank der weitsichtigen Politik von Partei- und Staatsfiihrung - der Bezirk Cottbus zum Heizer der Republik, zum Energiequell des ganzen Landes werden sollte. Wenn Sie heute die F97 zwischen Spremberg und Hoyerswerda passieren, stellen Sie Ihren Wagen ruhig für eine halbe Stunde ab und werfen Sie einen Blick auf das Kombinát. Wenn Sie gar einmal »herumgehen« wollen, dürfte diese Zeit natürlich nicht reichen. Denn Sie sind ja weder Nurmi noch Kuz. Vissza