Fülszöveg
Neun Künstlerporträts sind in diesem — man darf wohl sagen dem berühmtesten — Buch Stefan Zweigs in drei Untergruppen zusam-mengefasst. Die erste Gruppe bilden die «Drei Meister» Balzac, Dickens, Dostojewski, grundverschieden ihrem Wesen und ihrer Aussage nach, verbunden jedoch durch ihr Jahrhundert, das sie durch ihr Lebenswerk zum Jahrhundert der grossen Romankunst erhoben haben. Als zweite Gruppe unter dem Titel «Der Kampf mit dem Dämon» schliessen sich Hölderlin, Kleist und Nietzsche an, drei von tiefer Tragik umwitterte Genies, die Unerhörtes zum Bau der Welt beigetragen haben, obwohl das Schicksal jedem von ihnen die letzte Erfüllung versagte. Den Schluss bilden «Drei Dichter ihres Lebens» Casanova, Stendhal, Tolstoi — eine auf den ersten Blick völlig abwegig scheinende Zusammenstellung, die sich jedoch aus Stefan Zweigs Schau als schönste, folgerichtige Ordnung erweist. Denn der eingangs verwendete Ausdruck Künstlerporträts trifft insofern nicht zu, als es Zweig nicht...
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Fülszöveg
Neun Künstlerporträts sind in diesem — man darf wohl sagen dem berühmtesten — Buch Stefan Zweigs in drei Untergruppen zusam-mengefasst. Die erste Gruppe bilden die «Drei Meister» Balzac, Dickens, Dostojewski, grundverschieden ihrem Wesen und ihrer Aussage nach, verbunden jedoch durch ihr Jahrhundert, das sie durch ihr Lebenswerk zum Jahrhundert der grossen Romankunst erhoben haben. Als zweite Gruppe unter dem Titel «Der Kampf mit dem Dämon» schliessen sich Hölderlin, Kleist und Nietzsche an, drei von tiefer Tragik umwitterte Genies, die Unerhörtes zum Bau der Welt beigetragen haben, obwohl das Schicksal jedem von ihnen die letzte Erfüllung versagte. Den Schluss bilden «Drei Dichter ihres Lebens» Casanova, Stendhal, Tolstoi — eine auf den ersten Blick völlig abwegig scheinende Zusammenstellung, die sich jedoch aus Stefan Zweigs Schau als schönste, folgerichtige Ordnung erweist. Denn der eingangs verwendete Ausdruck Künstlerporträts trifft insofern nicht zu, als es Zweig nicht darauf abgesehen hat, ein im äusserlichen genaues Bild zu zeichnen. Seine Essays zielen vielmehr auf eine Erfassung des Menschen von den inneren Gegebenheiten her, sie sind Charakterskizzen, Werkdeutungen; das Biographische spielt dagegen eine dienende Rolle, es wird nur dort herangezogen, wo es zum Verständnis einer Entwicklung erforderlich ist. Als eine Charakterkunde des Genies in neun Variationen wurde das Buch bezeichnet und in den einzelnen Beiträgen rückt das Menschliche stets so nahe an das Geistige heran, dass man das eine in das andere hinüberfluten sieht.
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Stefan Zweig Verwirrung der Gefühle
Der schärfste Kritiker, den Stefan Zweig je gefunden hat, war Stefan Zweig selber: ein unerbittlich auf Grund höchster Ansprüche Wägender, der seinem Werk gegenüber keine Toleranz, kein «laissez passer» kannte. Was er zum Druck, was er vor allem für eine Neuauflage freigab, war stets eine zehnmal gesiebte Prosa, kein Wort zuwenig, kein Wort zuviel und jeder Satz ein kleines Kunstwerk. Kein Wunder also, dass seine Novellen zum edelsten Sprachgut unseres Jahrhunderts zählen. Zudem sind es «Novellen» im echten, ursprünglichen Sinne, jede einzelne eine einmalige, ungewöhnliche Neuigkeit, auf knappestem Raum erschöpfend durchgeformt. Zeitlich genommen stammen die zehn Stücke der Sammlung aus allen Schaffensperioden des Dichters vom Jahrhundertbeginn bis zur Schwelle des Zweiten Weltkrieges. Ihrem Inhalt nach sind sie ein Spiegelbild unserer Zeit und der Probleme, die sie bewegten. Nie griff Zweig in seinen Novellen auf die Vergangenheit zurück, immer war es das Jetzt und Hier, dessen «brennendes Geheimnis» er zu entschleiern suchte. Entschleiern, obwohl gespreizt klingend, ist in diesem Falle das zutreffende Wort, denn Zweigs Erzähltechnik nimmt gleichsam Hülle um Hülle von einem anfangs nur umrisshaft erkennbaren Konflikt fort, bis der mit stetig wachsender Spannung folgende Leser zuletzt in tiefer Erschütterung den Gesamtvorgang erblickt: die abgerundete Neuigkeit, eben die Novelle. Und nicht nur eine Novelle schlechthin, sondern jede einzelne eine Meisternovelle, ein Meisterstück. Inhalt: Verwirrung der Gefühle / Vierundzwanzig Stunden aus dem Leben einer Frau / Leporella / Episode am Genfersee / Phantastische Nacht / Der Zwang / Sommernovellette / Brennendes Geheimnis / Die unsichtbare Sammlung / Schachnovelle.
Nr. 410
Vissza