Fülszöveg
Barbara W. Tuchman, durch mehrere Werke, darun ter das mit dem Pulitzerpreis ausgezeichnete Buch »August 1914«, als hervorragende Zeithistorikerin ausgewiesen, legt mit dem »Stolzen Turm« einen weiteren bedeutsamen Beitrag zur neueren Ge-schichte vor.
Es ist jenes schicksalhafte Vierteljahrhundert vor 1914, das hier vor uns aufgeroilt wird, in dem sich das Bild der Menschheit so entscheidend und rasch geándert hat wie nie zuvor in der Geschichte. Noch existierte eine intakté Klassengesellschaft, deren dünne Oberschicht unerhörte Privilegien ge-noG; dodi unüberhörbar war das Grollen, das den Zusammenprall mit der Welt des Protestes, die leid- und hafierfüllt zum Aufbruch drangte, an-kündigte.
Barbara Tuchman legt den Akzent ganz bewuGt mehr auf die soziologischen als auf die politischen Aspekte. Und sie führt dafür gewichtige und ein-leuchtende Gründe an. Sie will »das Wesen jener Welt, die den grófién Krieg heraufbeschworen hat, entdecken « Denn »die, wie man sagt, politischen...
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Fülszöveg
Barbara W. Tuchman, durch mehrere Werke, darun ter das mit dem Pulitzerpreis ausgezeichnete Buch »August 1914«, als hervorragende Zeithistorikerin ausgewiesen, legt mit dem »Stolzen Turm« einen weiteren bedeutsamen Beitrag zur neueren Ge-schichte vor.
Es ist jenes schicksalhafte Vierteljahrhundert vor 1914, das hier vor uns aufgeroilt wird, in dem sich das Bild der Menschheit so entscheidend und rasch geándert hat wie nie zuvor in der Geschichte. Noch existierte eine intakté Klassengesellschaft, deren dünne Oberschicht unerhörte Privilegien ge-noG; dodi unüberhörbar war das Grollen, das den Zusammenprall mit der Welt des Protestes, die leid- und hafierfüllt zum Aufbruch drangte, an-kündigte.
Barbara Tuchman legt den Akzent ganz bewuGt mehr auf die soziologischen als auf die politischen Aspekte. Und sie führt dafür gewichtige und ein-leuchtende Gründe an. Sie will »das Wesen jener Welt, die den grófién Krieg heraufbeschworen hat, entdecken « Denn »die, wie man sagt, politischen Ursachen des Krieges sind nicht mehr als die Fieberkurve eines Patienten, sie geben Hingegen keine Auskunft über die wahre Ursache des Fiebers. Um die treibenden Kráfte und die tieferen Gründe aufzuspüren, muÉ man die Gesellschaft als Ganzes zum Untersudiungsobjekt machen.« Dies hat Barbara W. Tuchman getan - mit aufíer-ordentlichem Geschick und dem sicheren Blick des Historikers für grofíe Zusammenhange. Sie greift Personen, Strömungen und Ereignisse heraus und fügt sie zusammen zum schillernden Portrait einer Epoche: die britischen Patrizier, als letzte Vertreter einer Standeordnung, die in der westlichen Welt Regierungsverantwortung trugen; die Anarchisten Europas und Amerikás, deren Terrorakte dem Schrei der Unterdrückten Gehör verschaffen soll-ten; die Vereinigten Staaten auf dem Weg zur Weltm'acht; Frankreich zur Zeit der Dreyfus-Affáre; die beiden Friedenskonferenzen von Den Haag, die bereits von der apokalyptischen Dro-hung der modernen Waffentechnik und -entwick-lung überschattet waren; das Wilhelminische Deutschland, sehr originell dargestellt am Lebens-bild des Komponisten Richárd Strauss; und schlieG-lich den Sozialismus, seinen Idealismus, seine jugendliche Begeisterung und seine Tragik, die schlagartig beleuchtet wird durch die Ermordung von Jean Jaurés am Vorabend des Kriegsausbruchs, mit dem eine Epoche zu Ende ging. Barbara. W. Tuchman versteht es ausgezeichnet, Wesentliches aufzuspüren und herauszustellen. Und da sie zudem Sinn für das Rankenwerk der Anek-dote hat - denn sie weifi, daG gerade das Anekdo-tische oftmals blitzartig zu erhellen vermag -, ist ihre Geschichtsdarstellung nicht nur glánzend fun-diert, sondern erreicht zugleich eine ungewöhnliche Farbigkeit und Plastizitat.
Vissza